Prof. Dr. Gerrit Brösel, Prof. Dr. Christoph Freichel
Rz. 107
Das Cloud-Computing wurde in der Bilanzierung bisher in erster Linie im Zusammenhang mit SaaS betrachtet. Dies greift jedoch zu kurz, wie auch die europäische "Verordnung über harmonisierte Vorschriften für einen fairen Datenzugang und eine faire Datennutzung" (Data Act) verdeutlicht, die am 11.1.2024 in Kraft getreten ist und nach einer 20-monatigen Übergangsfrist EU-weit gelten wird. Es sind alle angebotenen Dienste zu beleuchten, die nicht lokal (also etwa in den Räumen des nutzenden Unternehmens) betrieben bzw. ausgeführt werden, sondern im Zusammenspiel lokaler Geräte – also einem Tablet, Rechner oder Laptop – als sog. Client (mit einer App) über ein Breitbandnetz mit einer vom Dienstanbieter zur Verfügung gestellten Umgebung (z. B. in einem Rechenzentrum) funktionieren. Je nachdem, wie der Service bereitgestellt wird, unterscheidet man zwischen öffentlicher Cloud (Dienst steht grundsätzlich allen offen), privater Cloud (Dienst wird vom Unternehmen selbst für eine eingegrenzte Zielgruppe, z. B. Mitarbeiter, bereitgestellt), gemeinsamer Cloud (eine bestimmte Interessengruppe kann die Dienste nutzen) und gemischter Cloud (Mischform aus 2 der vorgenannten). Für die Bilanzierung dieser unterschiedlichen Cloudlösungen beim Anbieter bzw. beim Nutzer ist gemäß der wirtschaftlichen Betrachtungsweise entscheidend, wer diesen Dienst i. S. des Chancen- und Risikoprofils der Lösung betreibt. Werden die für das Cloud-Computing benötigten Ressourcen durch das nutzende Unternehmen entgeltlich erworben, ergeben sich keine Unterschiede zu den bisherigen Ausführungen zum entgeltlichen Erwerb von Hard- und Software, selbst wenn die Nutzung über eine Cloud erfolgt.
Rz. 107a
Clouddienste lassen sich wie folgt differenzieren: Beim sog. Platform as a Service (PaaS) wird dem nachfragenden Unternehmen von dem PaaS anbietenden Unternehmen eine Umgebung zur Verfügung gestellt, um eigene Lösungen zu entwickeln und zu betreiben. Als Software as a Service (SaaS) wird eine Dienstleistung verstanden, bei der das nachfragende Unternehmen von dem SaaS anbietenden Unternehmen eine oder mehrere IT-Anwendung(en) aus der Cloud nutzt. Zudem haben sich in der Praxis weitere Dienstleistungen, z. B. Security as a Service (SecaaS) – Überwachung von IT-Infrastruktur als Spezialform des IaaS – entwickelt. Oftmals werden in diesem Kontext verarbeitete Daten dezentral, verteilt über mehrere Rechenzentren, gespeichert.
Rz. 107b
Charakteristisch für die meisten Cloud-Computing-Lösungen ist, dass der Nutzer einen entgeltlichen Erwerb gerade nicht tätigen möchte. Bei so verstandenen Diensten wird dem Nutzer ein zeitlich begrenztes Nutzungs- oder Zugangsrecht am jeweiligen Service eingeräumt. Dieses erlaubt ihm die Anwendung der bereitgestellten Dienste zumeist in flexibel skalierbarer Weise. Freie Verfügungs- bzw. Verwertungsrechte an dem Dienst werden dem Nutzer gewöhnlich nicht eingeräumt. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ressourcen am jeweiligen Dienst dem anbietenden Unternehmen (zumindest wirtschaftlich) zuzurechnen sind. Demnach sind die vom Nutzer des Dienstes gezahlten Gegenleistungen handelsrechtlich und auch steuerlich (laufender) Aufwand bzw. Betriebsausgaben der jeweiligen Periode. In diesem Kontext geleistete Vorauszahlungen für zu leistende Dienste sind als aktive Rechnungsabgrenzungsposten über die Vertragslaufzeit abzugrenzen.