Prof. Dr. Gerrit Brösel, Prof. Dr. Christoph Freichel
5.1 Vorbemerkungen
Rz. 147
Ähnliche Fragen, wie bei der Bilanzierung von Software, stellen sich im Zusammenhang mit Internetauftritten. Dazu werden im Folgenden lediglich jene Aspekte angesprochen, welche sich auf Unternehmen beziehen, die sich im sog. Internet präsentieren. Hingegen wird nicht auf besondere Aspekte für Web-Designer (Ersteller von Internetauftritten), für Provider (Betreiber von Servern) sowie für den Auftritt im Extranet und im Intranet eingegangen.
Zudem sei an dieser Stelle auf das Missverständnis hingewiesen, dass das Internet mit dem WWW (für "World Wide Web") gleichzusetzen ist. Das WWW ist lediglich – wie beispielsweise die sog. E-Mail-Anwendungen – ein Teilbereich des Metanetzwerks Internet. Insofern ist die Begrifflichkeit "Internetauftritt" nicht sachgerecht, sondern eher umgangssprachlich; gemeint ist hiermit eigentlich die sog. Website bzw. der Webauftritt im WWW. Hiervon ist die sog. Homepage abzugrenzen, bei der es sich lediglich um die Eröffnungsseite des Webauftritts handelt. Um jedoch die damit verbundenen und bereits bestehenden Missverständnisse nicht zu erhöhen, wird nachfolgend – wie allgemein auch in der Literatur zur Rechnungslegung – weiterhin von Internetauftritten gesprochen, wobei hiermit ausschließlich der Anwendungsbereich "World Wide Web" gemeint ist. Zudem ist bezüglich der Nutzung im WWW in die maschinelle und in die menschliche Nutzung zu unterscheiden. Im Hinblick auf den klassischen Webauftritt sei nachfolgend auf die menschliche Nutzung abgestellt. Bezüglich der teil- und vollautomatisierten Nutzung (sog. Maschine-zu-Maschine-Kommunikation), zu der die entsprechende Software erforderlich ist, sei auf die Ausführungen zur Bilanzierung von Software (siehe Rz. 50 ff.) hingewiesen.
Rz. 148
Mit dem Auftritt eines Unternehmens im WWW können zusammen oder unabhängig voneinander verschiedene Ziele verfolgt werden. So kann das Internet beispielsweise als Instrument zur Präsentation des Unternehmens in der Öffentlichkeit, zur Produkt- und Personalbeschaffung, zur Werbung oder zum Vertrieb (bis hin zum Direktabsatz) eingesetzt werden. Voraussetzung dafür ist die Einrichtung einer sog. Homepage bzw. von weiteren Netzseiten unter einer sog. Webadresse (Domain). Eine Homepage bzw. die Netzseiten setzt/setzen sich wiederum aus einer Vielzahl einzelner Dateien zusammen, die es dem Adressaten ermöglichen, das Informationsangebot des Unternehmens auf dem eigenen Bildschirm sichtbar zu machen.
Rz. 149
In der Praxis läuft das Erstellen einer Homepage meist dergestalt ab, dass ein darauf spezialisiertes Unternehmen mit der Einrichtung beauftragt wird. Die Mitwirkung des sich präsentierenden Unternehmens reduziert sich dabei gewöhnlich auf die Lieferung der auf der Netzseite abzubildenden Inhalte. Die aufgrund des (auch wenn sich dieser Tatsache einige Unternehmen nicht bewusst sind) hohen Aktualisierungsbedarfs erforderlichen laufenden Änderungen des Netzauftritts können ebenfalls externen Dienstleistern übertragen oder – zur Vereinfachung und Beschleunigung der Abläufe – von darauf spezialisierten Mitarbeitern des Inhabers der Netzseiten, also des sich präsentierenden Unternehmens, vorgenommen werden.
5.2 Ansatz
Rz. 150
Auch bei einem solchen Webauftritt, der seinem "Charakter nach zwischen Anwenderprogrammen und Datensammlungen" steht, stellt sich die Frage, ob die entspr. Aufwendungen aktivierungsfähig sind. Dies setzt voraus, dass mit dem Webauftritt ein selbstständig verwertbarer und bewertungsfähiger Vermögensgegenstand geschaffen wird, dessen Aktivierung nicht verbotsbewehrt ist. Hinsichtlich des Webauftritts kann konstatiert werden, dass die Voraussetzungen für einen Vermögensgegenstand grundsätzlich erfüllt sind und dieser als immaterieller Vermögensgegenstand einzustufen ist. Wurde dieser Vermögensgegenstand entgeltlich erworben, z. B. über einen Werkvertrag, besteht eine Aktivierungspflicht. Andernfalls (also bei Vorliegen eines Dienstvertrags bzw. bei der Erstellung der Seiten durch eigenes Personal) ist steuerrechtlich das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG und handelsrechtlich das Wahlrecht des § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB zu beachten, weil davon auszugehen ist, dass die Netzseite dem Unternehmen auf Dauer dienen soll.
Rz. 151
Der Vermögensgegenstand "Domain-Adresse" ist dabei vom Vermögensgegenstand "Netzseite" (bzw. Website) zu trennen, weil – wie noch zu zeigen sein wird – diesbezüglich unterschiedliche Konsequenzen bei der Abschreibung zu berücksichtigen sind. Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch dahingehend, ob die Summe aller Netzseiten als ein einheitlicher Vermögensgegenstand anzusehen ist oder ob verschiedene Gruppen von Netzseiten jeweils zu einzelnen Vermögensgegenständen zusammenzufassen sind. Entscheidend hierfür ist der betriebliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang, in dem die einzelnen Netzseiten stehen, sowie der Umfang des Internetauftritts. Bei einf...