1.1 Der Wunsch nach einer Human-Capital-Bilanz
"Nicht alles, was zählt, kann gezählt werden. Und nicht alles, was gezählt werden kann, zählt." (Albert Einstein zugeschrieben.)
Frühe Bewertung von Humankapital
Nicht erst seit der aktuellen Diskussion um die Bilanzierung des Humankapitals gibt es Versuche, den Wert von Personal festzusetzen und damit auch eine Basis für das Controlling bereitzustellen. Bereits im Dreißigjährigen Krieg vereinbarten die damaligen Großmächte Österreich und Schweden folgende Preisliste:
Preisliste für Kriegsgefangene in Thalern zwischen Österreich und Schweden 1642
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30.000 Thaler |
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20.000 Thaler |
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1.000 Thaler |
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200 Thaler |
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150 Thaler |
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8 Thaler |
Humane Lösung erst durch das Rote Kreuz
Das Ziel dieser Preisliste war die Möglichkeit, Kriegsgefangene auszutauschen oder freizukaufen – und nicht wie bisher zu töten oder zu versklaven. Dies wurde als eine Errungenschaft im Namen des Christentums angesehen. Die Festlegung des "Preises" war jedoch ein doppelschneidiges Schwert. So konnte am Schlachtfeld effizient entschieden werden, bei welchen Soldaten eine Gefangennahme lohnte und welche ihrem Schicksal überlassen werden sollten. Die Abwägung von Kosten und Nutzen war schnell und einfach möglich. Erst mit der Gründung des Roten Kreuzes 1863 und der Genfer Konvention veränderte sich dieses Verhalten.
Das Risiko der Bilanzierung des Humankapitals
Heutige Versuche der Bilanzierung des Humankapitals bergen ein vergleichbares Risiko. Die ursprüngliche Idee ist durchaus ehrenhaft. Die Bilanzierung soll den Wert von Mitarbeitern "objektiv" darstellen. So soll sie "Wertvernichtungen" durch Entlassungen oder zu geringe Investitionen aufzeigen können. Aber genauso könnten finanzielle Bilanzierungen des Humankapitals dazu führen, dass der Wert von Mitarbeitern bei Unternehmensentscheidungen reduziert wird auf die Betrachtung finanzieller Kennzahlen.
Verschiedene Bewertungsmethoden
Nur ein Unwissen über die Zusammenhänge und den Umgang mit finanziellen Kennzahlen führt manchen Personalverantwortlichen auf den Irrweg, eine mathematisch berechnete finanzielle Größe für das Humankapital entwickeln zu wollen. Finanzverantwortliche sind es gewohnt, verschiedene Methoden zur Bewertung und das Controlling unterschiedlicher Aspekte des Wirtschaftens zu verwenden. Sie differenzieren beispielsweise zwischen Bilanzwerten, Steuerwerten, abgezinsten Geldflüssen oder Marktwerten. Manche Bewertungen basieren rechnerisch auf Entstehungskosten, andere auf Ersetzungskosten, wieder andere auf Annahmen über zukünftige Entwicklungen und noch andere auf reinen Beurteilungen Dritter, wie beispielsweise der Marktwert.
1.2 Die verschiedenen Welten im Personal-Controlling
Personalarbeit ist kein homogenes Arbeitsfeld
Der Begriff "Personalarbeit" legt nahe, dass es sich um ein homogenes Arbeitsfeld handelt, das gewissen Grundregeln folgt. Somit sollte auch das Controlling einheitlich aufzubauen und durchzuführen sein. Dies ist irreführend. In der Personalarbeit gibt es zwei sehr unterschiedliche Welten. Regeln und Methoden der einen Welt sind wenig hilfreich bis kontraproduktiv in der anderen Welt.
Die zwei Welten der Personalarbeit
Abb. 1: Die Welt der Administration und die der Wertschöpfung in der Personalarbeit
1.2.1 Verschiedene Daten in der Personalarbeit
100-%-Abdeckung und Korrektheit bei harten Daten
Es gibt in der Personalarbeit unterschiedliche Daten und Prozesse. Ein Großteil der seit jeher von der Personalabteilung durchgeführten Arbeiten beschäftigt sich mit harten Daten wie Löhnen, Kosten, Zeiten und ähnlichen, meist finanziellen Größen. In diesem Bereich ist eine vollständige Abdeckung notwendig. So ist für 100 % der Mitarbeiter eine Lohnabrechnung durchzuführen, man kann sich nicht auf die wichtigsten 20 % konzentrieren. Es sind 100 % der Lohnbestandteile zu verarbeiten und man kann sich nicht auf die wesentlichen beschränken. Dies gilt auch für andere Personalkosten, für die Zeit- und Abwesenheitserfassung sowie ähnliche Daten. Zusätzlich müssen alle Ergebnisse zu 100 % korrekt sein – ein "gut genug" oder "ungefähr richtig" genügt nicht.
Anders verhält es sich mit den weichen Daten der Personalarbeit. Dazu gehören beispielsweise:
- Bewerbermanagement und Onboarding
- Mitarbeitergespräche (Zielvereinbarung und Beurteilung)
- Personalentwicklung und Kompetenzmanagement
- Aus- und Weiterbildung
- Laufbahn- und Nachfolgeplanung
- Wissensmanagement und Unternehmensnetzwerke
80:20 als notwendiges Erfolgsrezept bei weichen Daten
Denken wir beispielsweise an die Gewinnung neuer Mitarbeiter. Es macht keinen Sinn, dass die Personalverantwortlichen alle vorhandenen Informationen eines jeden Bewerbers verarbeiten. Es ist viel wichtiger, sich in einem ersten Schritt möglichst früh auf die vielversprechendsten Bewerber zu konzentrieren, und auch dort nur auf die wesentlichen Kriterien für die Vorauswahl. Es gibt auch keine exakte und richtige Entscheidung für einen Bewerber. In der Entwicklung und dem Management von Kompetenzen sollte man nicht alle Kompetenzen aller Mitarbeiter wie in einem Lagerb...