Ein großer Teil der wertschöpfenden Personalarbeit wird direkt von den Linienvorgesetzten erbracht und erfordert i. d. R. keine IT-Systeme zur Abwicklung. Beispielsweise wurde und wird Personalentwicklung von guten Linienvorgesetzten seit jeher bewerkstelligt, ohne dass dazu IT-Systeme notwendig gewesen wären. Dies ist ein großer Unterschied zu den administrativen Prozessen wie beispielsweise der Lohnabrechnung, die seit langer Zeit nicht mehr ohne IT-Systeme denkbar sind. In administrativen Prozessen fallen durch die Abwicklung der zugrunde liegenden Aufgaben bereits viele für das Controlling notwendigen Daten an. Zusätzlich werden die verantwortlichen Personalverantwortlichen genau für die Pflege der notwendigen Daten eingestellt und bezahlt. In den wertschöpfenden Personalprozessen verhält es sich grundlegend anders. Linienvorgesetzte benötigen vielfach keine IT-Systeme, um gute wertschöpfende Personalarbeit zu vollbringen. Und sie werden gewiss nicht dafür bezahlt, Daten der wertschöpfenden Personalarbeit in Systemen zu erfassen, um diese anschließend auswerten zu können.
Nutzen der IT-Systeme für die Linie ist zwingend
Folglich kann der Einsatz von IT für die wertschöpfenden Personalprozesse nur dann erfolgreich sein und akzeptiert werden, wenn für die Linienvorgesetzten ein klarer Nutzen für ihre Arbeit entsteht. Es müssen einfache Systeme sein, welche die Führungszusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern unterstützen und dem Vorgesetzten Arbeit abnehmen und nicht zusätzliche Prozesse und Arbeitsschritte aufbürden. Diese Systeme müssen dem 80:20-Prinzip folgen, um überhaupt akzeptiert und verwendet zu werden. Dem Controlling ist nicht gedient, wenn exakte Systeme angeboten werden, die entweder gar nicht oder nicht richtig verwendet werden.
"Quelle der Bewerbung" als ungeeignete Datenerhebung
Ein instruktives Beispiel für falsch umgesetztes Controlling der Personalmarketing-Kanäle ist der verständliche Wunsch, die Quelle der Bewerbungen genau zu erfassen. Aus diesem Grund fragen zahlreiche Online-Bewerbungssysteme die Quelle der Bewerbung als Muss-Feld ab. Für viele Bewerber ist diese Frage jedoch eine lästige. Da die Richtigkeit der Angabe in den meisten Fällen nicht verifiziert werden kann, wählen zahlreiche Bewerber häufig den ersten Eintrag aus. So wird zwar die Illusion einer 100-%-Erfassung der Bewerbungsquellen aufrechterhalten, jedoch ist die Datenqualität schlecht. Die Aussagekraft wird im besten Fall als nicht gegeben erkannt – im schlechtesten Fall verleitet die Auswertung zu falschen Schlussfolgerungen.
Gemäß dem Ausspruch von Carveth Read ist es besser, ungefähr richtig zu liegen als präzise falsch. So kann man Trends "richtiger" erkennen, wenn man dieses Feld freiwillig abfragt und Bewerbern die Wahl lässt, ob sie diese Information angeben möchten oder nicht. Somit kann man zumindest bei den eingegebenen Daten davon ausgehen, dass diese überwiegend korrekt sind. Bei Bewerbern in Interviewsituationen – die ja meist die vielversprechenderen Kandidaten sind – kann man fehlende Angaben einfach erfragen und aktualisieren, sofern man diesen Aufwand betreiben möchte.
Auf diese Weise erhält man für die wirklich relevanten Kandidaten eine ausreichend gute Datengrundlage – ohne Bewerber im Prozess zu behindern oder bei einer Vielzahl solcher erzwungener Angaben ganz von einer Bewerbung abzuschrecken. Ebenso ist es dem Image des Unternehmens bei Bewerbern nicht dienlich, wenn man die Erfassung zahlreicher Daten erzwingen will, die einzig Controlling-Zwecken und nicht dem originären Prozess dienen.
Zahlreiche ähnliche Beispiele finden sich in der internen Personalarbeit, bei der das Image der Personalabteilung in der Linie leidet – und die Datenqualität durch "pragmatische Verweigerung" der Linie gegenüber Zwängen ebenfalls nicht höher ausfällt.