Rz. 505

Der Versammlungsleiter ist für einen geordneten Ablauf der Gesellschafterversammlung verantwortlich. Zur Erfüllung dieser Aufgabe steht ihm die Ordnungsgewalt zu. Stört ein Versammlungsteilnehmer den reibungslosen Ablauf der Gesellschafterversammlung und kann die Störung nicht auf andere Weise behoben werden, darf der Versammlungsleiter Ordnungsmaßnahmen ergreifen.[1] Dabei kommen insb. in Betracht:

  • Ordnungsruf, Abmahnung;
  • individuelle Beschränkung der Redezeit;[2]
  • Entziehung des Worts;
  • nach vorheriger Androhung: befristeter oder endgültiger Saalverweis und Hausverbot[3] und
  • zwangsweise Entfernung aus dem Saal unter dem Aspekt des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB).
 

Rz. 506

Der Versammlungsleiter hat dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, d. h. alle Maßnahmen müssen erforderlich und angemessen sein. Mildere Maßnahmen dürfen nicht genügen.[4] Außerdem muss der Versammlungsleiter beim Einsatz von Ordnungsmaßnahmen einheitliche und nachvollziehbare Kriterien anwenden.[5]

 

Rz. 507

Ist ein Gesellschafter zu Unrecht von der Teilnahme an der Gesellschafterversammlung ausgeschlossen worden und kann er deshalb nicht an der Beschlussfassung teilnehmen, ist er – ohne Widerspruch zu Protokoll geben zu müssen – anfechtungsberechtigt.[6]

 

Rz. 508

Im Übrigen sind fehlerhafte Maßnahmen des Versammlungsleiters zwar rechtswidrig; sie sind aber nicht isoliert anfechtbar, weil § 243 AktG, der hier analoge Anwendung findet, die Anfechtung auf Gesellschafterversammlungsbeschlüsse beschränkt. Maßnahmen des Versammlungsleiters können im Rahmen einer Beschlussanfechtung überprüft werden, wenn der Gesellschaft der Nachweis misslingt, dass die Maßnahme für die Beschlussfassung nicht kausal war.

 

Rz. 509

Gibt es keinen Versammlungsleiter – etwa weil die Gesellschafter dies nicht für notwendig erachten, der ordnungsgemäß bestellte Versammlungsleiter während der Versammlung aus seinem Amt abberufen wird oder er es freiwillig niedergelegt – verbleibt sowohl das Hausrecht als auch die Zuständigkeit zur Durchführung von Ordnungsmaßnahmen bei den Gesellschaftern selbst.[7] Dies hat zur Folge, dass mit einfacher Mehrheit Geschäftsordnungsbeschlüsse z. B. über Beschränkung der Redezeit, Wortentziehung und Verweisung aus dem Versammlungslokal gefasst werden können. Dabei sind die Gesellschafter in ihrer Beschlussfassung jedoch durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht beschränkt und unterliegen denselben Schranken wie ein Versammlungsleiter. Praktisch ist in solchen Fällen dringend zur (erneuten) Bestellung eines Versammlungsleiters aus dem Kreis der Anwesenden zu raten, damit die Versammlung effizient und ohne wesentliche Zeitverzögerungen abgehandelt werden kann.

[1] Für derartige Entscheidungen ist der Versammlungsleiter zuständig, soweit ein solcher bestellt wurde. Er kann auch eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung (die mit einfacher Mehrheit zu fassen ist) einholen; die Gesellschafterversammlung kann die Entscheidung jedoch auch an sich ziehen und mit einfacher Mehrheit entscheiden, selbst über Ordnungsmaßnahmen h. M., s. etwa Römermann, in Michalski, § 48 Rn. 158 ff. m. w. N.
[2] Siehe o. Rn. 498 ff.
[3] Dem Störer muss dabei allerdings die Möglichkeit gegeben werden, einem anderen Teilnehmer Vollmacht zur Stimmrechtsausübung zu erteilen; zuletzt dazu OLG Bremen, Beschluss v. 10.4.2007, 2 U 113/06, AG 2007 S. 550 [zur AG].
[4] Seibt, in Scholz, § 48 Rn. 37 m. w. N.
[5] Einen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht gibt es allerdings nicht.
[6] Hilmann, in Henssler/Strohn, § 48 GmbHG Rn. 16. Der Beschluss ist wegen einer Verletzung von Teilnahmerechten anfechtbar; der Gesellschafter muss nicht nachweisen, dass sein Ausschluss potenziell kausal für das Beschlussergebnis wurde. Siehe dazu auch Rn. 602 ff.
[7] Seibt, in Scholz, § 48 Rn. 37; OLG Hamm, Urteil v. 6.5.2003, 27 U 131/02, NZG 926 S. 927.

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