Prof. em. Dr. Rudolf Federmann
3.1 Grundsätzliches
Rz. 34
Laufende Bilanzen sind durch eine Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva gekennzeichnet, die sich als Bestandsgrößen aus dem Abschluss der laufenden Buchführung ergeben. Die zweiseitige Buchführungsverknüpfung und laufende Erstellung unterscheidet sie von sog. Sonderbilanzen und Status.
Rz. 35
Die als "Aktiva" bezeichnete linke Seite der Aufstellung, die im Wesentlichen eine Gliederung der Vermögensgegenstände (sog. Rohvermögen) enthält, lässt einige Verwendungsformen des eingesetzten Kapitals (Investitionen) erkennen. Die als "Passiva" bezeichnete rechte Bilanzseite zeigt mit der Gliederung in Eigenkapital (Reinvermögen) und Schulden (Rückstellungen und Verbindlichkeiten) die Quellen der Kapitalbeschaffung, die Herkunft der Finanzierungsmittel auf.
Rz. 36
Als (Handels-)Bilanz eines Kaufmanns wird nach § 242 Abs. 1 HGB ein das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellender Abschluss umschrieben. Mit der gegliederten Darstellung des Vermögens, der Schulden und ggf. des Eigenkapitals ermöglicht die Bilanz dem Adressaten einen Einblick in die Vermögenslage des Unternehmens. Aufgrund der Zusammenhänge mit der doppelten Buchführung ergibt sich der Gewinn sowohl als Differenz zwischen den Erträgen und Aufwendungen der GuV-Rechnung wie auch (mit Korrekturen) als Differenz des Eigenkapitals am Anfang und Ende des Geschäftsjahres.
3.2 Bilanzansätze dem Grunde nach
Rz. 37
Zum Ansatz dem Grunde nach in der Bilanz ist abstrakte Bilanzierungsfähigkeit Voraussetzung: Die handelsrechtlichen Kriterien sind Vermögensgegenstand , Eigenkapital , Schulden , Rückstellungen und Verbindlichkeiten sowie Rechnungsabgrenzungsposten.
Rz. 38
Bilanzierungshilfen und Sonderposten sind inzwischen wesentlich eingeschränkt worden. Allenfalls lassen sich noch die latenten Steuern, der Posten Zölle und Verbrauchsteuern auf Vorratsvermögen und ein negativer Geschäftswert als Bilanzierungshilfe, ein Darlehensunterschiedsbetrag gem. § 250 Abs. 3 HGB und der aktive Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung gem. § 246 Abs. 2 Satz 3 HGB als Sonderposten bezeichnen. Der Geschäfts- und Firmenwert wird hingegen als (zeitlich begrenzt nutzbarer) "Vermögensgegenstand" fingiert.
Rz. 39
Bei Bejahung der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit ist die konkrete Bilanzierungsfähigkeit im Einzelfall zu prüfen. Kriterien sind: subjektive Zurechenbarkeit und das Fehlen eines expliziten Bilanzierungsverbots. Die subjektive Zurechenbarkeit wird anhand der Kriterien des § 246 Abs. 1 Sätze 2, 3 HGB, hilfsweise der GoB, geprüft. Bilanzierungsverbote bestehen insbesondere für Aufwendungen zur Gründung, Eigenkapitalbeschaffung und Versicherungsvertragsabschluss. Außerdem für selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten und ähnliche Anlagegegenstände. Auf der Passivseite dürfen keine Rückstellungen für andere Zwecke, als in § 249 HGB genannt, gebildet werden. Für Aktiva und Passiva sind die Bilanzierungsverbote wegen des Grundsatzes der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte (GoB) und wegen der Nichtbilanzierung von Privatvermögen/-schulden zu beachten.
Rz. 40
Besteht konkrete Bilanzierungsfähigkeit, kann Bilanzierungspflicht oder ein Bilanzierungswahlrecht bestehen. Im letztgenannten Fall richtet sich der Ansatz nach den Zielen des Bilanzierenden (Bilanzpolitik).
Konkret enthält das Handelsrecht zurzeit als offene Bilanzierungswahlrechte:
- Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, § 248 Abs. 2 HGB,
- Verbindlichkeits-Unterschiedsbetrag (Disagio), § 250 Abs. 3 HGB,
- Aktive latente Steuern, § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB,
- Wertaufholungsrücklage, §§ 58 Abs. 2a AktG, 29 Abs. 4 GmbHG,
- Altpensionszusagen einschl. Erhöhungen; mittelbare Pensionsverpflichtungen und pensionsähnliche Verpflichtungen, Art. 28 Abs. 1 EGHGB,
- Verschiedene Beibehaltungswahlrechte aus dem Übergang zum BilMoG, Art. 67 Abs. 3 EGHGB.
Weitere Ansatzwahlrechte ergeben sich aus den GoB (unentgeltlich erhaltene materielle Vermögensgegenstände, klein- und geringwertige Anlagegüter, Abgrenzung Betriebs-/Privatsphäre).
Rz. 41
Bestehen bei Bejahung der Kriterien der Bilanzierungsfähigkeit keine Bilanzierungswahlrechte, dann besteht Bilanzierungspflicht. Dem Grunde nach enthält die Handelsbilanz – insbesondere für große Kapitalgesellschaften – folgende Positionen:
Auf der Aktivseite:
A. |
Anlagevermögen, wozu Gegenstände gehören, die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen, nämlich
I. |
Immaterielle Vermögensgegenstände
- Selbst geschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte,
- entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten,
- (erworbener) Geschäfts- und Firmenwert,
- geleistete Anzahlungen.
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II. |
Sachanlagen
- z. B. unbebaute Grundstücke, Gebäude,
- technische Anlagen und Maschinen,
- andere Anlagen und Betriebs- und Geschäftsausstattung,
- geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau.
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III. |
Finanzanlagen, insbesondere Beteiligungen i. S. d. § 271 HGB, Auslei... | |