Prof. em. Dr. Rudolf Federmann
3.3.1 Bewertungsprobleme
Rz. 43
Bewertung ist durch Zuordnung einer in Geldeinheiten ausgedrückten Wertgröße zum Bewertungsobjekt gekennzeichnet, die – multipliziert mit dem Mengengerüst – den Bilanzwert ergibt. Man unterscheidet die Bewertung anlässlich des erstmaligen Zugangs eines Bewertungsobjekts (Erst-, Zugangsbewertung) von den späteren Bewertungen (Folgebewertungen). Die Ermittlung des Ansatzes der Höhe nach (Bewertung) eines mengenmäßig anzusetzenden Bewertungsobjekts erfolgt durch Bestimmung des maßgeblichen Wertmaßstabes anhand der Einstufung (Klassifikation) in eine Bewertungsgruppe, seiner Quantifizierung mithilfe eines Bewertungsverfahrens sowie – bei Folgebewertungen – der Berücksichtigung von Wertänderungen (Abschreibungen, Wertminderungen) oder Zuschreibungen (Wertaufholungen).
Rz. 44
In allen Phasen stehen neben obligatorischen Bewertungen auch frei wählbare Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung (Bewertungswahlrechte), die vom Bilanzierenden zur zielgerechten Wahrnehmung (Bilanzpolitik) genutzt werden können.
Rz. 45
Die Bewertung ist wesentlich geprägt durch die Probleme der Bestimmung des Bewertungsobjekts, des Ausdrucks in der inländischen Währungseinheit EUR und der damit u. U. notwendigen Währungsumrechnung, der (Nicht-)Berücksichtigung des Geldwertes (Inflationsbilanzierung, Scheingewinnproblematik), des Schätzproblems (Wertermittlungsmethoden, Bewertungsspielräume), und durch das z. T. erzwungene Auseinanderfallen der Verkehrs- und Bilanzwerte (stille Reserven/stille Lasten).
3.3.2 Bewertungsobjekte
Rz. 46
Grundsätzlich besteht eine Verpflichtung zur Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden in ihrer Einzelheit (Einzelbewertung, § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ist es handelsrechtlich in einigen Fällen zugelassen, zusammenfassende Gesamtbewertungseinheiten zu bilden:
Die gem. § 6 Abs. 2a EStG für geringwertige Wirtschaftsgüter vorgesehene Poolbewertung dürfte sich u. U. auch als handelsrechtlich zulässig erweisen.
3.3.3 Bilanzielle Wertmaßstäbe
Rz. 47
Als gemeinsame Wertmaßstäbe und Basiswerte für die Handels- und Steuerbilanz kommen im Wesentlichen in Betracht:
Rz. 48
Spezielle handelsbilanzielle Wertbegriffe sind:
- "beizulegender Wert" , § 253 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 HGB,
- "beizulegender Zeitwert" , §§ 253 Abs. 1 Sätze 3, 4 und 255 Abs. 4 HGB,
- "Börsen- oder Marktwert" , § 253 Abs. 4 Satz 1 HGB,
- "Nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendiger Erfüllungsbetrag" , § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB,
- "Nennbetrag", § 272 Abs. 1 Satz 2 HGB, und ein
- "Unterschiedsbetrag", §§ 246 Abs. 1 Satz 4 und 250 Abs. 3 HGB.
3.3.4 Bewertungsverfahren
Rz. 49
Als Verfahren der Wertermittlung kommen zum einen progressive und retrograde Methoden (z. B. bei der Ermittlung des beizulegenden Wertes von Erzeugnissen oder Waren) in Betracht. Während bei der progressiven Methode von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten ausgehend der gegenüber den erwarteten Verkaufserlösen entstehende Deckungsfehlbetrag ermittelt wird, geht das retrograde Verfahren von den erwarteten Verkaufserlösen aus (Verkaufswertdeckungsverfahren, verlustfreie Bewertung).
Rz. 50
Zum anderen ist zwischen den Verfahren der Einzelbewertung (Regelfall gem. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) und den sog. Bewertungsvereinfachungsverfahren gemäß § 256 HGB zu unterscheiden. Zu Letzteren gehören
- die Gruppenbewertung, §§ 240 Abs. 4, 256 Satz 2 HGB,
- die Durchschnittsbewertung, §§ 240 Abs. 4, 256 Satz 2 HGB,
- die Bewertung nach unterstellten Verbrauchs- bzw. Veräußerungsfolgen (Lifo- und Fifo-Verfahren , § 256 HGB),
- die Bildung eines Festwertes, §§ 240 Abs. 3, 256 Satz 2 HGB und
- die Pauschalbewertung nach den GoB (z. B. bei Forderungen).
3.3.5 Wertänderungen (Ab- und Zuschreibungen)
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