Prof. Dr. rer. pol. Hanno Kirsch
Rz. 109
Die Bilanzierungsfehler der IFRS-Rechnungslegung beinhalten Rechenfehler, Methodenfehler und Sachverhaltsfehler und sind insbesondere von Schätzungsfehlern abzugrenzen. Falls Schätzungen in späteren Perioden angepasst werden, weil sich der Erkenntnisstand verbessert hat oder Umstände sich anders als erwartet entwickelt haben, dann ist der Effekt im Ergebnis der Periode zu berücksichtigen, in der die Anpassung der Schätzung erfolgt. Sofern Schätzungsrevision und Fehlerkorrektur zusammentreffen, ist nach IAS 8.35 im Zweifel von einer Revision von Schätzungen auszugehen. Wesentliche Fehler sind gemäß IAS 8.42 grundsätzlich bis zum Ursprung hin zu korrigieren. Sofern der Fehler in einer im Jahresabschluss dargestellten Berichtsperiode liegt, sind die Jahresabschlussinformationen der Perioden so anzupassen, als ob kein Fehler in der Vergangenheit gemacht worden wäre. Dies kann aufgrund abweichender Ergebnisse vergangener Perioden zu einer Anpassung des Anfangsbestands der Gewinnrücklagen der Berichtsperiode führen. Falls die retrospektive Fehlerkorrektur nicht durchführbar ist, sind nach IAS 8.44 die Anfangssalden der Bilanzposten ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt, zu dem eine retrospektive Anwendung durchführbar ist, anzupassen. Sofern auch der kumulative Effekt einer Fehlerkorrektur zu Beginn der Berichtsperiode nicht verlässlich ermittelbar ist, bleibt nach IAS 8.45 nur die prospektive Korrektur des Fehlers.
Rz. 110
Der nach der IFRS-Rechnungslegung Bilanzierende hat im Zusammenhang mit der Korrektur von Bilanzierungsfehlern insbesondere folgende Ermessensspielräume, die regelmäßig den Ergebnisausweis und damit auch das Bilanzbild beeinflussen:
- Abgrenzung zwischen Fehlern und Revision von Schätzungen;
- Identifikation eines Fehlers als "wesentlich". IAS 8.5 erfordert eine subjektive Beurteilung, dass die Größe oder die Art des Fehlers oder deren Kombination ein bestimmender Faktor für die Beurteilung des Abschlusses ist.
Durchführbarkeit der retrospektiven Fehlerkorrektur
IAS 8.5 definiert die Undurchführbarkeit einer Vorschrift dahingehend, dass diese trotz aller angemessenen Anstrengungen des Unternehmens nicht angewendet werden kann. Im konkreten Fall der rückwirkenden Korrektur von Fehlern soll eine Undurchführbarkeit stets vorliegen, wenn entweder die Auswirkungen einer rückwirkenden Anpassung nicht zu ermitteln sind oder die rückwirkende Anpassung Annahmen über die mögliche Absicht des Managements erforderlich macht oder die rückwirkende Anpassung umfangreiche Schätzungen der Beträge erforderlich macht und es unmöglich ist, objektiv die Informationen aus diesen Schätzungen von sonstigen Informationen zu unterscheiden. Auch diese Definition enthält in hohem Maße Ermessensspielräume bei der Auslegung der Begriffe "angemessene Anstrengungen des Unternehmens", "mögliche Absichten des Managements" und der gegebenenfalls "erforderlichen und von sonstigen Informationen abzutrennenden Schätzungen".
Bei der Beurteilung der Undurchführbarkeit der Generierung der Information ist weiterhin unter Rückgriff auf das Conceptual Framework sowohl die Perspektive des bilanzierenden Unternehmens als auch die der Jahresabschlussadressaten zu berücksichtigen. Dieser Abwägungsprozess wird dadurch erschwert, dass grundsätzlich alle in den IFRS verankerten Bestimmungen den Anspruch der Wirtschaftlichkeit in sich tragen und daher eine Operationalisierung der Undurchführbarkeit zumeist nur unzureichend gelingt.
Rz. 111
Eine Änderung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden ist wegen des Grundsatzes der Stetigkeit nach IAS 8.14 nur gestattet, wenn dies aufgrund eines Standards oder einer Interpretation erforderlich ist oder wenn diese Änderung zu einer besseren Darstellung von Ereignissen oder Geschäftsvorfällen in den Abschlüssen des Unternehmens führt. Sofern der Effekt aus einer Umstellung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden verlässlich bestimmt werden kann, ist diese Änderung (grundsätzlich) retrospektiv vorzunehmen. Der Umstellungseffekt ist in diesem Fall im Anfangsbestand der Gewinnrücklagen zu erfassen. Falls der Effekt der retrospektiven Anwendung für einzelne Vergangenheitsperioden nicht praktikabel bestimmbar ist, sind nach IAS 8.24 die Bilanzposten zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt anzupassen, zu dem die retrospektive Anwendung möglich ist. Sofern auch der kumulative Effekt der retrospektiven Anwendung zu Beginn der Berichtsperiode nicht verlässlich bestimmbar ist, wird die Bilanzierungs- und Bewertungsmethode nach IAS 8.25 prospektiv angewendet.
Rz. 112
Die verdeckten Bewertungswahlrechte im Zusammenhang mit der Änderung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden beinhalten:
- Beurteilung der Zulässigkeit der Änderung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden bei einem nicht durch einen neuen Standard oder eine neue bzw. geänderte Interpretation erzwungenen Wechsel;
- Durchführbarkeit der retrospektiven Änderung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (vgl. Rz. 110).
Rz. 113
vorläufig frei
Rz. 114
vorläu...