Dipl.-Finw. (FH) Wilhelm Krudewig
4.1 Nutzungsprognose = Vollamortisation
Die Kosten für eine Bahncard sind von vornherein in vollem Umfang steuerfrei, wenn sich nach der Nutzungsprognose des Arbeitgebers eine Vollamortisation ergibt. Übersteigen demnach die Kosten für steuerfreie Einzelfahrten die Kosten von 3.952 EUR (vor 2020: 4.395 EUR) für eine Bahncard 100, kann der Arbeitnehmer die Bahncard 100 auch für Privatfahrten nutzen, ohne einen geldwerten Vorteil versteuern zu müssen.
Die Steuerfreiheit bleibt auch dann bestehen, wenn die prognostizierte Vollamortisation aus unvorhersehbaren Gründern (z. B. wegen Krankheit oder Verschiebung von Dienstreisen) nicht eintritt. Bei grundlegenden Änderungen, z. B. beim Wechsel vom Außen- in den Innendienst, ist für den noch nicht abgelaufenen Zeitraum eine Korrektur (= Nachversteuerung) vorzunehmen.
Nutzungsprognose ≠ Vollamortisation:
Übersteigen nach der Nutzungsprognose des Arbeitgebers die Aufwendungen nicht den Kaufpreis von 3.952 EUR (vor 2020: 4.395 EUR), ist der Differenzbetrag sofort als Arbeitslohn zu erfassen. Eine spätere Korrektur ist möglich.
Ohne Nutzungsprognose:
In diesem Fall muss der Gesamtbetrag (also 3.952 EUR bei einer Bahncard 100) sofort als Arbeitslohn erfasst werden. Die Steuerfreistellung erfolgt dann später entsprechend der Nutzung für auswärtige Tätigkeiten, für Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung sowie für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte.
Verteilung auf 2 Jahre: Erfolgt der Erwerb einer Bahncard 100 im Laufe eines Jahres müssen die Kosten dem jeweiligen Jahr anteilig zugeordnet werden.
Anmerkung: Derzeit (Stand 2020) kostet die Bahncard 100 bei Sofortzahlung 3.952 EUR für ein Jahr (bei der 1. Klasse: 6.685 EUR). Die Bahncard 100 gibt es auch im Abonnement für 365 EUR monatlich (bei der 1. Klasse für 620 EUR pro Monat).
4.2 Prognostizierte Vollamortisation allein für Fahrten im Rahmen auswärtiger Tätigkeiten
Eine Vollamortisation liegt vor, wenn die Summe aus den ersparten Kosten für Einzelfahrscheine, die ohne Nutzung der Fahrberechtigung für Fahrten im Rahmen von Auswärtstätigkeiten oder eine Familienheimfahrt pro Woche im Rahmen der doppelten Haushaltsführung anfallen würden, die Kosten der Fahrberechtigung erreichen oder übersteigen. Ergibt die Prognose des Arbeitgebers, dass dies zum Zeitpunkt der Hingabe der Fahrberechtigung der Fall ist, kommt es auf die darüber hinausgehenden Nutzungsmöglichkeiten nicht mehr an.
Siehe hierzu "Praxis-Beispiel für Ihre Buchhaltung".
Tritt die prognostizierte Vollamortisierung aus unvorhersehbaren Gründen (z. B. wegen Krankheit oder Verschiebung von Dienstreisen) nicht ein, ist keine Nachversteuerung vorzunehmen. Ändern sich die der Prognose zugrunde liegenden Annahmen grundlegend (z. B. Wechsel vom Außendienst in den Innendienst), hat eine Korrektur und ggf. Nachversteuerung für den noch nicht abgelaufenen Gültigkeitszeitraum zu erfolgen.
Fazit: Überlässt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine Bahncard 100, kann diese, wenn der Arbeitgeber keine Einschränkungen vorgibt, vom Arbeitnehmer uneingeschränkt genutzt werden. Unternimmt der Arbeitnehmer während der Gültigkeitsdauer der Bahncard 100 ausschließlich Geschäftsreisen, erfasst der Arbeitgeber die Kosten der Bahncard als "Reisekosten Arbeitnehmer Fahrtkosten". Die Aufwendungen sind uneingeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar, ohne dass beim Arbeitnehmer ein geldwerter Vorteil versteuert werden müsste.
Wann der Arbeitnehmer die Bahncard für Privatfahrten nutzen kann, nichts lohnversteuern muss und Werbungskostenabzug möglich ist
Betragen die Fahrtkosten für Geschäftsreisen ohne Bahncard mindestens 3.952 EUR, kann der Arbeitnehmer die Bahncard im Übrigen für Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte und für Privatfahrten nutzen, ohne dafür einen geldwerten Vorteil versteuern zu müssen. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer in seiner Einkommensteuererklärung die Entfernungspauschale für seine Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte geltend machen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob dem Arbeitnehmer für diese Fahrten Kosten entstanden sind. Da die Bahncard 100 bereits durch die Geschäftsreisen ausgeschöpft ist, hat der Arbeitgeber nicht die Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte getragen.
4.3 Prognostizierte Vollamortisation unter Einbeziehung der Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte
Ergibt die Prognose zum Zeitpunkt der Hingabe der Fahrberechtigung, dass die Summe
- aus den ersparten Kosten für Einzelfahrscheine, die ohne Nutzung der Fahrberechtigung während deren Gültigkeitsdauer für die steuerlich begünstigten Fahrten nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG (Fahrten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit oder eine Familienheimfahrt pro Woche im Rahmen der doppelten Haushaltsführung) anfallen würden, und
- dem regulären Verkaufspreis einer Fahrberechtigung für die Strecke zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, zu einem Sammelpunkt oder zu einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet
für den entsprechenden Gültigkeitszeitraum die Kosten der Fahrberechtigung erreicht oder übersteigt (prognostizierte Vollamortisation), ist die Arbeitgeberleistung insgesamt steuerfrei. Sie ist dann vorrangig steuerfrei nach § 3 Nr. 13 oder 16 EStG ...