Leitsatz
Die Bildung einer Rückstellung für Jubiläumsleistungen setzt auch unter der Geltung des § 5 Abs. 4 EStG nicht voraus, dass sich der Dienstberechtigte rechtsverbindlich, unwiderruflich und vorbehaltlos zu der Leistung verpflichtet hat.
Normenkette
§ 5 Abs. 1, § 5 Abs. 4 EStG, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB
Sachverhalt
Eine konzernangehörige KG hatte in ihrer Bilanz auf den 31.12.1994 eine Rückstellung für Jubiläumszuwendungen an Arbeitnehmer gebildet. Dem lag eine Betriebsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat zugrunde, wonach bei 10-, 25-, 40- und 50-jähriger Dienstzeit "freiwillige Jubiläumsgaben" geleistet werden sollten. Es handle sich dabei um "jederzeit widerrufliche Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht". Das FA erkannte die Rückstellung nicht an.
Die Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Nach Meinung des FG durfte wegen der Möglichkeit des Widerrufs keine Rückstellung gebildet werden.
Entscheidung
Der BFH war anderer Ansicht. Aus § 5 Abs. 4 EStG ergebe sich nicht, dass die Zusage unwiderruflich gewährt werden müsse. Allerdings könne eine Rückstellung nur gebildet werden, soweit zum Bilanzstichtag eine Inanspruchnahme aus der Jubiläumszusage wahrscheinlich sei. Weil das FG hierzu noch keine Feststellungen getroffen hatte, verwies der BFH das Verfahren zurück.
Hinweis
1. Für ungewisse Verbindlichkeiten hat ein Unternehmer handelsrechtlich Rückstellungen zu bilden (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Wenn eine Verbindlichkeit dem Grund und der Höhe nach ungewiss ist, hängt die Bildung der Rückstellung von dem Grad der Wahrscheinlichkeit ab, dass und in welcher Höhe die Verbindlichkeit künftig entstehen wird. Der BFH folgt bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der sog. 51 %-These: Es müssen mehr Gründe für als gegen die Entstehung der Verbindlichkeit sprechen. Ist diese Schwelle von 50 % überschritten, muss die Rückstellung bilanziert werden.
2. Diese Voraussetzungen gelten auch für die Bilanzierung der Verpflichtungen aus Jubiläumszusagen. Sie sind naturgemäß der Höhe nach immer ungewiss, weil nicht vorhersehbar ist, in wie vielen Fällen ein solches Jubiläum von Arbeitnehmern erreicht werden wird. Die Verpflichtung wird aber auch regelmäßig dem Grund nach ungewiss sein, weil der Arbeitgeber sich nicht für alle Zeiten an die Zusage von Zusatzleistungen zum Gehalt wird binden wollen. Solche Leistungen stehen vielmehr typischerweise mit der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens in Zusammenhang.
Arbeitsrechtlich kann der Vorbehalt entweder ein Freiwilligkeits- oder ein Widerrufsvorbehalt sein. Im Grundsatz unterscheiden sich beide Vorbehalte dadurch, dass in einem Fall eine aufschiebende und im anderen Fall eine auflösende Bedingung für die Zahlung der Zusatzleistung gilt. Für die Bilanzierung einer Verbindlichkeit ist eine Unterscheidung zwischen aufschiebender und auflösender Bedingung regelmäßig ohne Bedeutung. Denn in beiden Fällen befindet sich die Verbindlichkeit zum Bilanzstichtag in einem Schwebezustand, ist also noch nicht voll wirksam entstanden. Es bleibt dann in beiden Fällen nur eine Bilanzierung als Verbindlichkeitsrückstellung.
3. Ein Urteil des BFH aus dem Jahr 1987, mit dem Jubiläumsrückstellungen zugelassen worden waren (Urteil vom 5.2.1987, IV R 81/84, BStBl II 1987, 845), hatte den Steuergesetzgeber auf den Plan gerufen, was schließlich mit Wirkung ab 1990 zur Einfügung des § 5 Abs. 4 EStG führte. Die Vorschrift schafft zusätzliche Voraussetzungen für Jubiläumsrückstellungen in der Steuerbilanz. So muss die Zusage schriftlich erfolgen und sie darf nur für im Gesetz genauer definierte langjährige Betriebszugehörigkeit gewährt werden.
Diese Regelung legte die Finanzverwaltung dahin aus, dass die Zusage rechtsverbindlich, unwiderruflich und vorbehaltlos erteilt sein müsse. Im Besprechungsfall hielt die Verwaltung die Rücklage danach für unzulässig, weil es in der betreffenden Betriebsvereinbarung hieß, es handle sich um jederzeit widerrufbare Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch bestehe.
Der BFH entnahm den Gesetzesmaterialien jedoch, dass derartige Beschränkungen vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt waren. Die ursprüngliche Absicht, eine Jubiläumsrückstellung nur bei endgültig bindender Zusage zuzulassen, war im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens fallengelassen worden.
4. Beachten Sie, dass beim BVerfG auf Vorlage des BFH (Beschluss vom 10.11.1999, X R 60/95, BStBl II 2000, 131) noch ein Verfahren anhängig ist, in dem es um die zeitweilige Abschaffung der Jubiläumsrückstellung geht (Az. 2 BvL 1/00). Mit der Einfügung des § 5 Abs. 4 EStG wurden nämlich die früher gebildeten Rückstellungen in den Jahren 1988 bis 1992 aufgelöst; erst für Neuzusagen ab 1993 wurde wieder eine Rückstellung zugelassen. Diese rein fiskalisch motivierte Verfahrensweise wirft die Frage nach der sog. Gleichheit in der Zeit auf. Mit einer Entscheidung des BVerfG dürfte nun in absehbarer Zeit zu rechnen sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.1.2007, IV R 42/04