Kalkulation von Dienstleistungen deutlich komplexer als von Sachleistungen
Gegenstand der Betrachtung sind idealtypische, immaterielle Dienstleistungen, die individuell unter Einwirken eines Kunden mit hohem Personalaufwand erstellt werden. Weder der konkrete Ablauf der Leistungserstellung noch das Ergebnis sind vorab bekannt. Besondere Aufmerksamkeit gebührt in diesem Zusammenhang dem Aufbau der Leistungsfähigkeit, der Integration des externen Faktors und der Immaterialität des Outputs.
In Anbetracht der Aufgabenstellung ist hier weniger die vom Kunden wahrgenommene Komplexität Gegenstand der Betrachtung, sondern die Herausforderungen an das Management, die sich aus der Komplexität ergeben.
Das Dienstleistungspotenzial wird als menschliche oder maschinelle Leistungsfähigkeit verstanden, die dem Kunden als Leistungsversprechen angeboten wird. Gerade bei Dienstleistungen ist eine stark schwankende Nachfrage zu konstatieren, wobei sich die Frage nach der Ausrichtung am Spitzen- oder am Durchschnittsbedarf stellt. Somit determiniert der Kunde die Dimensionierung der Leistungsbereitschaft und die Dynamik erhöht sich. Dadurch ergeben sich hohe Bereitschaftskosten. Auf Grund dieser hohen (fixen) Bereitschaftskosten sollte eine Kostenrechnung eine hohe Fixkostentransparenz ermöglichen, um so Kostensenkungspotenziale ausweisen zu können. Hier bietet sich der Ausweis von Nutz- und Leerkosten an, wie sie auch der Anwendung des Beanspruchungsprinzips zugrunde liegen. Die Leerkosten können in diesem Zusammenhang als maximales, beschäftigungsinduziertes Kostensenkungspotenzial interpretiert werden.
Im Rahmen der Leistungserstellung spielt der Faktor menschliche Arbeit eine entscheidende Rolle. Gerade bei individuell erstellten Leistungen und der hiermit verbundenen fehlenden Standardisierbarkeit müssen den Mitarbeitern große Entscheidungsspielräume und Freiheitsgrade in der Umsetzung eingeräumt werden. Dies lässt die sonst für den Dienstleistungsbereich favorisierte Prozesskostenrechnung nur als bedingt tauglich erscheinen, da deren Anwendung im Wesentlichen auf repetitive Tätigkeiten beschränkt ist.
Die zu bewältigende Komplexität erhöht sich ferner mit der Einbindung des externen Faktors (Kunden), der sich einer autonomen Disponierbarkeit entzieht. Die Entscheidung, ob, wann und in welcher Form eine Dienstleistung produziert wird, liegt bei den Wünschen des Nachfragers. Durch das Ausmaß und die Qualität seiner Bereitschaft zur Kooperation kann er kostensenkend, -neutral oder -fördernd wirken. Gerade die Kostenrechnung steht hier besonderen Anforderungen gegenüber, um geeignete Kosteninformationen zur Verfügung stellen zu können. Bislang gibt es hierfür allerdings noch keine hinreichend fundierten und gleichzeitig praxistauglichen Ansätze.
Da Dienstleistungen größtenteils immateriell und somit nicht lagerbar sind, führt dies zum bereits diskutierten Aufbau hoher Betriebsbereitschaftskosten. Die bestehenden Relationen zwischen den Dienstleistungen und dem Ressourceneinsatz können häufig nicht ermittelt werden, sodass aufgrund mangelnder Kenntnis des Mengengerüsts die Kalkulation erschwert wird.
Unter dem Kontextfaktor Dynamik der Leistungserstellung lassen sich z. B. Veränderungen der angebotenen Produkte, der Wertschöpfungstiefen und der Fertigungsabläufe subsummieren. Gerade bei individuellen Dienstleistungen, die unter Einfluss eines externen Kunden gefertigt werden, ist eine solche Dynamik zu erwarten. In einer solchen Situation ist eine detaillierte und differenzierte Kostenrechnung nicht sinnvoll einzusetzen, da eine hohe interne Dynamik und eine filigrane Ausgestaltung der Kostenrechnung sich nicht vertragen.
Die hier angestellten Überlegungen haben deutlich gemacht, dass gerade im Dienstleistungsbereich von einer hohen Komplexität der Fragestellungen auszugehen ist, die deutlich höhere Anforderungen an die Entscheidungsträger und die Kostenrechnung stellen als eine Produktion von standardisierten, auf Lager produzierten Sachleistungen.