Leitsatz
1. Hat ein Erzeuger während eines Zwölfmonatszeitraums Milch an eine Molkerei geliefert und dadurch von seiner Referenzmenge Gebrauch gemacht, kann in demselben Zwölfmonatszeitraum weder von ihm noch von einem anderen Erzeuger auf die so ausgenutzte Referenzmenge Milch abgabenfrei geliefert werden. Die Übertragung einer bereits ausgenutzten Referenzmenge kann das Recht zur abgabenfreien Milchlieferung in dem betreffenden Zwölfmonatszeitraum nicht wieder aufleben lassen.
2. Dem EuGH wird folgende Frage vorgelegt:
Ist das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 5 Buchst. k VO Nr. 1788/2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor, dahin zu verstehen, dass die Referenzmenge eines Erzeugers in dem Zwölfmonatszeitraum, in welchem ihm von einem anderen Erzeuger eine Referenzmenge übertragen worden ist, nicht die Menge umfasst, auf die während des betreffenden Zwölfmonatszeitraums von jenem anderen Erzeuger bereits Milch geliefert worden ist?
Normenkette
MilchAbgV, MilchPrämV, Art. 5 VO Nr. 1788/2003, Art. 95 VO Nr. 1782/2003
Sachverhalt
Ein Milchbauer hatte 50 000 kg seiner Referenzmenge zeitweise verpachtet (was früher möglich war; sog. Quotenleasing). Der Pachtvertrag wurde jedoch im Februar 2005 aufgelöst. Über die dadurch ausgelöste Rückgewähr der verpachteten Referenzmenge ist von der Landwirtschaftsbehörde der Bescheid erteilt worden, dass mit Wirkung vom 01.03.2005 eine Anlieferungs-Referenzmenge von 50 000 kg übergegangen sei. Diese Menge war allerdings von dem Pächter bereits beliefert worden. Die Molkerei hat deshalb eine Bescheinigung über eine dem Bauern am 31.03.2005 zur Verfügung stehende Referenzmenge erteilt, in der ungeachtet der Rückübertragung der bislang verpachteten, von dem Pächter belieferten Menge nur die dem Bauern von Beginn des Milchwirtschaftjahrs an zustehende Menge erfasst ist.
Gegen diese Festsetzung der Molkerei, die Grundlagenbescheid für die Prämienregelung ist (wobei die Molkerei ihrerseits an die Bescheinigung der Landwirtschaftsbehörde als Grundlagenbescheid gebunden ist), erhob dieser Klage.
Entscheidung
Der BFH hat dem EuGH aufgrund der aus den Praxishinweisen ersichtlichen Überlegungen die eingangs genannten Fragen zur Vorabentscheidung gem. Art. 234 EG vorgelegt. Der Ansicht des FG, die Fragen seien durch die Bescheinigung der Landwirtschaftsbehörde bereits verbindlich zugunsten des Bauern entschieden, ist der BFH aufgrund einer eigenen, abweichenden Auslegung dieser Bescheinigung nicht gefolgt.
Hinweis
Siehe zunächst die Praxishinweise zu VII R 23, 24/08 (BFH/NV 2009, 1348, BFH/PR 2009, 357, in diesem Heft).
Eine der Funktionen der Referenzmenge ist, dass sie als Bezugsgröße bei der Bemessung der Milch- bzw. Betriebsprämie dient. Das Gemeinschaftsrecht will den Milcherzeugern bekanntlich – zum Ausgleich für eine Senkung der Milchsubventionierung – eine von der Produktion des betreffenden Betriebs unabhängige jährliche Prämie gewähren. Diese Prämie wird nach Maßgabe der betrieblichen Referenzmenge festgesetzt.
Stand die Referenzmenge während eines Milchwirtschaftsjahrs mehreren Milcherzeugern zu (etwa infolge eines Betriebsübergangs während des Jahrs oder aufgrund des früher zulässigen Quotenleasings, das heißt der flächen- und betriebsunabhängigen Verpachtung einer Referenzmenge an einem anderen Betrieb), so teilt die (Landwirtschafts-)Verwaltung die Prämie offenbar nach dem Maßstab auf, wie die Betriebsinhaber auf die Referenzmenge Milch geliefert haben. Das kann aus der Sicht von Sinn und Zweck der Prämienregelung gerecht erscheinen (ein produktionunabhängiger Aufteilungsmaßstab lässt sich in der Tat schwer finden, zumal eine zeitanteilige Aufteilung angesichts jahreszeitlicher Schwankungen der Produktivität eines Milchbetriebs problematisch sein dürfte).
In den Rechtstexten findet eine solche Handhabung allerdings kaum einen Anhalt. Danach scheint vielmehr die Prämie in vollem Umfang demjenigen zuzustehen, der am Ende des Milchwirtschaftsjahrs Betriebsinhaber und Berechtigter der Referenzmenge des Betriebs ist. (Der Gerechtigkeit müsste dann wohl gegebenenfalls durch entsprechende Abreden zwischen den beiden oder mehreren Inhabern der Referenzmenge Genüge getan werden, was übrigens die Verwaltung der Prämienregelung vereinfachen würde.)
Der BFH war sich aber auch der Richtigkeit dieser Betrachtung nicht sicher und hat deshalb den EuGH befragt.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 31.03.2009 – VII R 44/07