Prof. Dr. Stefan Müller, Dr. Jens Reinke
1.2.1 Kapitalgesellschaft als juristische Person
Rz. 3
Kapitalgesellschaften sind juristische Personen, und zwar AG und KGaA nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG, die GmbH nach § 13 GmbHG. Die SE besitzt nach Art. 1 Abs. 3 SE-VO, die in der Bundesrepublik als unmittelbar geltendes Recht gilt, eigene Rechtspersönlichkeit.
In der Rechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaften kommt in besonderem Maße die gegenüber den Gesellschaftern verselbstständigte Stellung der Kapitalgesellschaft zum Ausdruck. Sie ist dadurch in ihrer Existenz von der Existenz der Gesellschafter unabhängig und sie hat eine Vermögenssphäre, die von der Vermögenssphäre der Gesellschafter getrennt ist. Zivilrechtlich sind Kapitalgesellschaften Rechtssubjekte, sodass sie selbstständig Träger von Rechten und Pflichten sein und klagen und verklagt werden können. Steuerrechtlich sind Kapitalgesellschaften selbstständige Steuerrechtssubjekte, die selbst, nicht nur als Gesamtheit der Gesellschafter, der jeweiligen Steuer unterliegen.
Die Eigenschaft als juristische Person erhalten die Kapitalgesellschaften – anders als wirtschaftliche Vereine – nicht aufgrund einer staatlichen Verleihung, sondern bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen kraft Gesetzes.
1.2.2 Beschränkte Haftung der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft
Rz. 4
Ein weiteres Strukturmerkmal der Kapitalgesellschaft ist, dass ihre Gesellschafter grundsätzlich beschränkt haften. Beschränkte Haftung bedeutet, dass die Gläubiger der Kapitalgesellschaft ihre Forderungen nur gegen das Gesellschaftsvermögen geltend machen können. Die Gesellschafter haften diesen Gläubigern nicht persönlich, sondern nur mit ihrer Kapitaleinlage, die in das Vermögen der Kapitalgesellschaft übergegangen ist. Genau genommen ist es daher unrichtig, von einer beschränkten Haftung der Gesellschafter zu sprechen. Sie haften den Gesellschaftsgläubigern mit dem ihnen gehörenden Vermögen überhaupt nicht. Eine Haftung für Gesellschaftsschulden besteht nur für das Gesellschaftsvermögen der Körperschaft, nicht für das (Privat-)Vermögen der Gesellschafter.
Eine Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft kann sich nur ergeben, wenn die Gesellschafter das durch Satzung vorgeschriebene Kapital nicht aufgebracht haben; insoweit haften sie für den Fehlbetrag des Kapitals persönlich.
Rz. 5
Jedoch sind Ausnahmen von dem Prinzip der fehlenden persönlichen Haftung der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft möglich. So haftet der Komplementär einer KGaA nach § 278 AktG für die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger unbeschränkt und persönlich mit seinem Privatvermögen, auch soweit er den auf ihn entfallenden Anteil am Grundkapital eingezahlt hat. Bei der GmbH kann nach § 26 GmbHG im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden, dass die Gesellschafter Nachschüsse in das Gesellschaftsvermögen zu leisten haben; diese Nachschusspflicht kann nach § 27 GmbHG betragsmäßig unbeschränkt sein. Insoweit tritt auch eine persönliche Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden ein.
1.2.3 Prinzip der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung
Rz. 6
Da die Haftung der Gläubiger der Kapitalgesellschaft auf die Einlagen der Gesellschafter beschränkt ist, kommt der Erhaltung dieses Kapitals erhebliche Bedeutung zu. In der Satzung der Kapitalgesellschaft muss dieses Haftungskapital bezeichnet sein. Dieser Haftungsbetrag ist das gezeichnete Kapital und ist in der Bilanz auf der Passivseite als erste Position unter Eigenkapital auszuweisen (§ 266 Abs. 3 HGB). Das gezeichnete Kapital ist nach § 272 Abs. 1 HGB definiert als dasjenige Kapital, auf das die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft gegenüber den Gläubigern beschränkt ist. Die Gesellschafter haben mindestens den Betrag des gezeichneten Kapitals zur Verfügung zu stellen, entweder indem sie ihn in die Kapitalgesellschaft einzahlen oder indem sie persönlich für den Betrag der ausstehenden Einlagen den Gesellschaftsgläubigern haften.
Gezeichnetes Kapital kann im Rahmen der Gründung der Kapitalgesellschaft oder später bei Kapitalerhöhung entstehen. Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erfolgt eine Erhöhung des gezeichneten Kapitals ohne Einzahlung der Anteilseigner.
Rz. 7
Wegen der Trennung der Vermögenssphären der Kapitalgesellschaft von der ihrer Gesellschafter hat das gezeichnete Kapital den Charakter von Garantiekapital, das als genau definierte und garantierte Haftungsgrundlage den Gläubigern zur Verfügung stehen soll. Hieraus folgt die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass dieses Kapital auch tatsächlich aufgebracht wird und während der Existenz der Kapitalgesellschaft auch erhalten wird. Dies geschieht durch die Grundsätze der realen Kapitalaufbringung und der nominellen Kapitalerhaltung.
Rz. 8
Durch den Grundsatz der realen Kapitalaufbringung soll sichergestellt werden, dass von den Gesellschaftern mindestens ein dem gezeichneten Kapital entsprechendes Vermögen auf...