Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
In den Fällen einer individuellen Vermögensverwaltung tritt der Vorsorgecharakter einer Lebensversicherung soweit hinter dem Zweck der Kapitalanlage zurück, dass eine privilegierte Besteuerung nicht angemessen erscheint. Vielfach preisen die Anbieter oder Vermittler derartige Produkte als sog. "Versicherungsmantel" an, was dokumentiert, dass es nicht um die Vorsorge durch eine Versicherung geht, sondern die Erzielung steuerlicher Vorteile im Vordergrund steht.
Die dem Versicherungsunternehmen zufließenden Erträge sind dem wirtschaftlich Berechtigten aus dem Versicherungsvertrag zuzurechnen. Sie unterliegen nicht der privilegierten Besteuerung für Lebensversicherungsverträge, sondern werden transparent besteuert. Das heißt, dass im Zeitpunkt, in dem Kapitalerträge z. B. in Form von Zinsen, Dividenden oder Veräußerungsgewinnen dem vom Versicherungsunternehmen gehaltenen Depot oder Konto zufließen, diese beim wirtschaftlich Berechtigten nach den für das jeweilige Anlagegut geltenden Regelungen besteuert werden (z. B. bei Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, bei Dividenden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, bei Veräußerungen nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 EStG und bei Investmentfondserträgen nach den Vorschriften des InvStG).
Unbeachtliche Leistungen
Leistungen im Todes- oder Erlebensfall sowie bei Rückkauf des Vertrags sind einkommensteuerlich unbeachtlich, soweit die in diesen Versicherungsleistungen enthaltenen Erträge bereits nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG der Besteuerung unterlegen haben. Des Weiteren ist die Übertragung von Anlagegütern auf das Versicherungsunternehmen im Zeitpunkt der Begründung eines vermögensverwaltenden Versicherungsvertrags sowie deren Rückübertragung auf den wirtschaftlich Berechtigten im Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses steuerlich ohne Belang; die Übertragung führt insbesondere nicht zu einer Veräußerung i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG.
Sind in der Beitragsleistung Kosten insbesondere für die Verwaltung enthalten oder werden diese von dem Anlagekonto bzw. Anlagedepot entnommen, sind diese Kosten grundsätzlich als Werbungskosten zu betrachten. Allerdings werden Werbungskosten ab dem Veranlagungszeitraum 2009 nur noch in Höhe des Sparer-Pauschbetrags berücksichtigt.
Vertragsänderung
Ob eine Vertragsänderung, die darauf abzielt, bestehende Merkmale eines vermögensverwaltenden Versicherungsvertrags nachträglich auszubedingen, steuerlich zu einer Beendigung des bisherigen Vertrags und Schaffung eines neuen Vertrags führt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.
Rechtsprechungshinweise
Soweit ersichtlich, liegen zu der vergleichsweise "jungen" gesetzlichen Materie, nämlich der Abgrenzung zwischen einer § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG unterfallenden Versicherung und einem "vermögensverwaltenden Versicherungsvertrag" i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG, bislang nur folgende Gerichtsentscheidungen vor (jeweils Leit- bzw. Orientierungssätze):
- Die Möglichkeit, zu Vertragsbeginn einer fondsgebundenen Lebensversicherung (hier: mit vorausgezahlter Einmalzahlung) einen von mehreren seitens der Lebensversicherung angebotenen standardisierten Fonds (hier: versicherungsinterner Fonds) zu wählen und später ggf. eine Umschichtung in einen anderen Fonds, eine Termingeldanlage oder den vorzeitigen Rückkauf zu wählen, begründet keine individuelle Gestaltung der Kapitalanlage nach den Weisungen des Versicherungsnehmers i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG.
- Die Möglichkeit des Berechtigten einer Lebensversicherung, deren Versicherungsleistung von der Wertentwicklung eines Anlagestocks abhängt, aus mehreren standardisierten Anlagestrategien zu wählen, begründet allein keine mittelbare Dispositionsbefugnis i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG.
- Schließt ein Steuerpflichtiger eine fondsgebundene Lebensversicherung gegen eine Einmalprämie durch Übertragung der in seinem bereits bei dem Kreditinstitut geführten Depot befindlichen Vermögenswerte (Währungszertifikate, Investmentfondsanteile etc.) ab, wobei Kontoführung und Vermögensverwaltung beim bisherigen Kreditinstitut oder dem bisherigen Vermögensverwalter verbleiben, liegt ein nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG unmittelbar und periodengerecht hinsichtlich der laufenden Erträge zu besteuernder vermögensverwaltender Lebensversicherungsvertrag vor.