Dipl.-Finw. (FH) Roland Ronig
Zusammenfassung
Die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist in § 20 EStG geregelt. Es handelt sich um Überschusseinkünfte. Hierdurch sollte bis zum Jahr 2008 die Frucht des Kapitals versteuert werden. Wertsteigerungen im Vermögensstamm waren nur im Ausnahmefall nach § 20 EStG anzusetzen. Es ergab sich ggf. eine Steuerpflicht nach § 23 EStG. Durch die Einführung der Abgeltungsteuer hat der Gesetzgeber diese Unterscheidung aufgegeben. Nunmehr werden auch Wertsteigerungen im Kapitalstamm nach § 20 EStG versteuert, wobei dies regelmäßig nur für Kapitalanlagen gilt, die nach dem 31.12.2008 erworben wurden.
1 Vorrang anderer Einkunftsarten
Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG liegen nicht vor, wenn die Kapitalerträge einer anderen Einkunftsart, z. B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, § 15 EStG, zuzurechnen sind. § 20 EStG ist nachrangig anzuwenden.
2 Besteuerungsgrundsätze
Durch die ab 2009 geltende Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge wurde die Versteuerung von Kapitaleinkünften reformiert.
Die folgende Übersicht zeigt die frühereund die aktuelleRechtslage:
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Jahre bis 2008 |
Jahre ab 2009 |
Tatbestände |
Frucht des Kapitals, z. B. Zinsen, Dividenden; i. d. R. keine Veräußerungsgewinne |
Frucht des Kapitals und Veräußerungsgewinne (i. d. R. Bestandsschutz für "Altpapiere") |
Besteuerungszeitpunkt |
Zufluss der Erträge |
Zufluss der Erträge |
Zurechnung |
Gläubiger der Kapitalerträge, ggf. wirtschaftlicher Eigentümer; für Gewinnausschüttungen: Anteilseigner |
Gläubiger der Kapitalerträge, ggf. wirtschaftlicher Eigentümer; für Gewinnausschüttungen: Anteilseigner |
Einkunftsermittlung |
Einnahmen ./. tatsächliche Werbungskosten (mindestens Pauschbetrag) ./. Sparer-Freibetrag |
Einnahmen ./. Sparer-Pauschbetrag (i. d. R. kein Abzug tatsächlicher Kosten) |
Verlustverrechnung |
- Verluste können grundsätzlich mit allen anderen Einkunftsarten verrechnet werden
- gesonderte Beschränkungen für Steuerstundungsmodelle
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- eingeschränkte Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 EStG
- gesonderte Beschränkungen für Steuerstundungsmodelle
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Steuersatz |
progressiver Steuersatz zzgl. SolZ und ggf. Kirchensteuer |
fixer Steuersatz von 25 % zzgl. SolZ und ggf. Kirchensteuer |
Steuerabzug |
für bestimmte Kapitalerträge |
für bestimmte Kapitalerträge (Erweiterung durch Abgeltungsteuer) |
Vermeidung des Steuerabzugs |
durch Freistellungsaufträge und sog. Nichtveranlagungsbescheinigungen |
durch Freistellungsaufträge und sog. Nichtveranlagungsbescheinigungen |
Charakter des Steuerabzugs |
wird auf die Einkommensteuerschuld angerechnet |
für Privatanleger i. d. R. Abgeltungswirkung |
Einkommensteuerveranlagung |
ja |
grundsätzlich nein, soweit abgeltender Steuerabzug |
3 Einkünfte ab 2009
3.1 Laufende Einnahmen
Zu den laufenden Kapitalerträgen gehören insbesondere:
- Gewinnausschüttungen aus Körperschaften, z. B. Dividenden;
- ab 2018: Investmenterträge i. S. d. InvStG, d. h. Ausschüttungen, Vorabpauschalen, Veräußerungsgewinne (bis 2017 wurden die laufenden Erträge – ausgeschüttete/ausschüttungsgleiche Erträge – sowie der Zwischengewinn nach der bis dahin geltenden Fassung des InvStG angesetzt).
- Erträge als stiller Gesellschafter bzw. aus partiarischen Darlehen;
- Erträge aus Kapitallebensversicherungen (Erlebensfallleistungen);
- sonstige Kapitalerträge, z. B. Zinsen;
- Stillhalterprämien.
3.2 Veräußerungserträge
Ab 2009 unterliegt der Verkauf aller Kapitalforderungen der Einkommensteuer, wobei für die meisten der bis zum 31.12.2008 erworbenen Kapitalanlagen ein Bestandsschutz gilt. Werden "Bestandsschutzpapiere" veräußert, ist dies nach Ablauf der Jahresfrist des § 23 EStG steuerfrei.
Ab 2009 sind insbesondere folgende Geschäfte steuerpflichtig:
- Verkauf von Aktien und anderen Anteilen an Körperschaften (bei Erwerb ab 2009; entsprechendes gilt für den Verkauf von Investmentanteilen bis 2017 nach der früheren Fassung des § 8 Abs. 5 InvStG);
- Verkauf von Zins- und Dividendenscheinen (ohne die Wertpapiere);
- Termingeschäfte (bei Begründung ab 2009);
- Verkauf/Auflösung einer stillen Gesellschaft bzw. eines partiarischen Darlehens (bei Begründung ab 2009);
- Verkauf von steuerpflichtigen Kapitallebensversicherungen;
- Verkauf sonstiger Kapitalforderungen (besondere Anwendungsregelungen).
3.3 Sonstige Erträge
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören auch besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in § 20 Abs. 1, 2 EStG bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden. Hierzu gehören z. B. Sachdividenden oder Entgelte von dritter Seite.
3.4 Einkunftsermittlung
3.4.1 Laufende Erträge und Veräußerungsgewinne
Zinsen und Dividenden sind in voller Höhe steuerpflichtig; bei Stillhaltergeschäften und Lebensversicherungserträgen gelten Besonderheiten.
Der Veräußerungsgewinn wird für Kapitalanlagen nach § 20 Abs. 2 EStG ab 2009 nach den Sonderregelungen des § 20 Abs. 4 EStG ermittelt. Es gilt:
Veräußerungs-/Einlösungspreis |
./. Anschaffungskosten |
./. Veräußerungskosten |
Veräußerungsgewinn/Veräußerungsverlust |
Obwohl der Werbungskostenabzug grundsätz...