Leitsatz
Unaufgeklärte Fehlbuchungen und Kassenfehlbeträge einer Kapitalgesellschaft rechtfertigen nicht ohne weiteres die Vermutung auf gesellschaftlich motivierte Vermögensabflüsse. Erhöht das FA die Einnahmen wegen solcher Fehlbeträge um einen Unsicherheitszuschlag, so stellen die hinzugeschätzten Beträge deshalb nur dann vGA dar, wenn das FA der dieses treffenden objektiven Beweislast nachkommt.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Sachverhalt
Im Rahmen einer Betriebsprüfung durch das FA wurde festgestellt, dass die Kassenführung der Klägerin, einer GmbH, deren Anteile jeweils hälftig von den beiden alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern gehalten wurden, nicht ordnungsgemäß war. Die Beteiligten einigten sich daher darauf, die Einnahmen um einen Unsicherheitszuschlag i.H.v.10 000 DM netto je Geschäftsjahr zu erhöhen. Das FA behandelte diese Unsicherheitszuschläge als verdeckte Gewinnausschüttungen.
Entscheidung
Der BFH sah dies anders. Es lasse sich keineswegs mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass die Fehlbeträge und die diese auslösenden Fehlbuchungen auf nicht verbuchte Betriebseinnahmen oder gesellschaftlich hergeleitete Vermögensminderungen zurückzuführen seien. Das gelte selbst dann, wenn dem Geschäftsleiter vorzuwerfen wäre, er hätte seine Aufsicht verletzt und dadurch die Fehlbeträge erst ermöglicht. Dennoch sei eben nicht sicher, dass deswegen Einnahmeverkürzungen vorlägen, die im Gesellschaftlichen wurzelten. Das FA treffe dazu die objektive Beweislast.
Hinweis
Der Sachverhalt, der dem – amtlich nicht veröffentlichten – Urteil zu Grunde lag, ist keineswegs selten. Insofern kommt ihm einiges an Gewicht zu: Beachten Sie, dass das FA die objektive Beweislast trifft, wenn es eine vGA annehmen will. Es muss konkret nachweisen, dass die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft Einnahmen zu Lasten der Gesellschaft und zu ihren Gunsten verkürzt haben. Es genügt nicht, solches schlicht zu vermuten, regelmäßig auch nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises. M.a.W.: Das FA wird es wohl schwer haben, in Schätzungsfällen nur auf Grund festgestellter Buchungsfehler jemals eine vGA nachzuweisen. Der pauschale Rückschluss darauf ist unzulässig.
Allerdings darf nicht verkannt werden, dass im Fall nicht ordnungsgemäß verbuchter Einnahmen gleichwohl ein (außerbilanzielles) Abzugsverbot droht, nämlich jenes nach § 160 Abs. 1 AO 1977. Im Ergebnis ist dem Steuerpflichtigen also nicht so recht geholfen. Im Urteilsfall ergab sich wohl nur deshalb ein positiver Unterschied, als die Annahme einer vGA die Herstellung der Ausschüttungsbelastung und damit womöglich eine KSt-Erhöhung nach sich gezogen hätte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.8.2000, I R 82/99