Dipl.-Finanzwirt (FH) Andreas Willner
Das "Kassengesetz 2016" erlaubt auch künftig jedem Unternehmer eine offene Ladenkasse zu führen, solange die Vorschriften der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) beachtet werden.
Wer nicht von der Einzelaufzeichnungspflicht befreit ist und dennoch keine Registrierkasse anschaffen will, muss seiner Aufzeichnungsverpflichtung auf anderer Weise nachkommen. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassenführung sind in diesen Fällen mit einem besonders hohen Aufwand verbunden. Die Frage der Zumutbarkeit stellt sich nicht mehr, wenn die Voraussetzungen für eine Ausnahmeregelung nicht vorliegen. Das trifft auf Friseurbetriebe in besonderem Maße zu. Werden die Aufzeichnungen nicht über ein elektronisches Aufzeichnungssystem geführt, müssen diese handschriftlich erfolgen.
Da ihre Kundschaft meist namentlich bekannt ist oder eine Kundendatei geführt wird, ist es für Friseure nach dem Willen des Gesetzgebers zumutbar, Einzelaufzeichnungen im Sinne der GoBD zu führen. Selbst wenn keine Kundendatei vorliegen sollte, gehen sowohl die Kundennamen als auch die durchzuführenden Leistungen regelmäßig aus den Anmeldungen und Terminabsprachen hervor. Das unterscheidet die Dienstleistungsbranche wesentlich vom Einzelhändler. Die Ausnahmeregelungen sind deshalb grundsätzlich nicht auf die genannten Betriebe (Friseurbetriebe & Co.) übertragbar.
Nach Auskunft des Branchenfachverbands überwiegt im Friseurhandwerk Laufkundschaft mehr und mehr die namentlich erfassten Stammkunden. In diesen Fällen sind die Betriebe bedingt mit Verkäufern von Waren vergleichbar. Soweit sich nämlich die Leistungen auf die Laufkunden erstrecken, erbringt der Unternehmer eine Vielzahl von Dienstleistungen an nicht bekannte Personen. Es stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen, welches ausschließlich Laufkundschaft bedient– analog zum Einzelhändler – aus Zumutbarkeitsgründen von der Einzelaufzeichnungspflicht befreit werden kann, wenn anstelle einer elektronischen Registrierkasse eine offene Ladenkasse eingesetzt wird.
Diese Frage ist hinsichtlich der Ausführungen der Finanzverwaltung klar zu verneinen. Denn unabhängig von der Führung einer Kundendatei oder dem Vorliegen von Terminbüchern werden die weiteren Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Erleichterungen auch bei Betrieben mit ausschließlich Laufkundschaft nicht komplett erfüllt. Der Kundenkontakt ist während der gesamten Bedienzeit gegeben und erstreckt sich nicht nur auf den Bestell- und den Bezahlvorgang. Außerdem hat auch der "Laufkunde" die Möglichkeit, Einfluss auf die zu erbringende Dienstleistung zu nehmen.
Auch wenn Friseurbetriebe, unabhängig vom eingesetzten Kassensystem, nicht um die Einzelaufzeichnungspflicht herumkommen, beschränkt sich diese – zumindest im Falle der Laufkunden – auf die branchenspezifischen Mindestaufzeichnungspflichten. Um einen Geschäftsvorfall nachvollziehen zu können, sind in diesen Fällen keine Kundendaten erforderlich. Es kann dem Unternehmer bei der Erbringung der Dienstleistungen an eine Vielzahl unbekannter Kunden nicht zugemutet werden, seine Kunden nach dem Namen zu fragen, um auch diese einzeln aufzeichnen zu können.
Liegen die Kundendaten jedoch vor, sind sie zwingend aufzeichnungspflichtig, soweit dem nicht andere gesetzliche Vorschriften entgegenstehen (z. B. Bank- oder Arztgeheimnis). Das gilt für Stamm- und Laufkundschaft gleichermaßen.
Eine summarische Ermittlung der Tageseinnahmen im Zusammenhang mit der Führung einer offenen Ladenkasse, kann den Unternehmer aus ertragsteuerlichen Unzumutbarkeitsgründen nicht automatisch von seiner Pflicht, Geschäftsvorfälle einzeln aufzuzeichnen, entbinden. Er kann sich dieser Verpflichtung aus den genannten Gründen nicht entziehen, indem er von der elektronischen Registrierkasse oder einem PC-Kassensystem zur offenen Ladenkasse wechselt.
Die aufgrund der "Corona-Regeln" vorgeschrieben gewesenen Kundenaufzeichnungen müssen für die Buchführung nicht aufbewahrt werden. Dies liegt darin begründet, dass ihre Vernichtung nach 2 bis 4 Wochen vorgeschrieben ist. Zu beachten ist jedoch, dass während der Geltung dieser Aufzeichnungspflicht durch diese alle Angaben (inkl. Name) für die Erfüllung der Einzelaufzeichnungspflicht erforderlich sind. Dementsprechend hat der Unternehmer parallel die entsprechenden Aufzeichnungen auch für steuerliche Zwecke zu führen.