Dipl.-Finanzwirt (FH) Andreas Willner
Umgekehrt darf eine offene Ladenkasse in Ausnahmefällen und unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zur elektronischen Kasse betrieben werden. Ungeachtet des o. g. Grundsatzes wird es nicht beanstandet, wenn die Erfassung über das elektronische System aus technischen Gründen oder aus Zumutbarkeitserwägungen nicht möglich ist. Weitere Voraussetzung ist, dass die zusätzliche offene Ladenkasse in einem räumlich oder organisatorisch eindeutig abgrenzbaren Bereich eingesetzt wird.
Bei Verwendung mehrerer Geschäftskassen ist zu beachten, dass diese Voraussetzungen für jede einzelne Sonder- oder Nebenkasse vorliegen müssen.
2.4.1 Beispiel: Straßenverkauf Eisdiele
Ob unterschiedliche Kassensysteme in einem Unternehmen nebeneinander eingesetzt werden dürfen, war bisher nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Das Führen einer offenen Ladenkasse neben der elektronischen Hauptkasse wurde durch die Rechtsprechung zwar nie ausdrücklich zugelassen, aber in anderen Entscheidungen auch nicht beanstandet. Es wurde deshalb auch im Rahmen vom Außenprüfungen regelmäßig für unzumutbar erachtet, jeden Vorgang im Straßenverkauf in eine im Gastraum platzierte Registrierkasse einzutippen, wenn eine Eisdiele seine Eistüten über ein vom übrigen Betrieb klar abgetrenntes Außenfenster verkauft. Diese Rechtsauffassung ist jedoch strittig. Die Zulässigkeit eines "Zwei-Kassen-Modells" unter bestimmten Voraussetzungen wird im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zwar ausdrücklich erwähnt, aber nicht klar beschrieben. Was genau unter einem räumlich oder organisatorisch eindeutig abgrenzbaren Bereich zu verstehen ist, bleibt offen.
Ob eine offene Ladenkasse neben der elektronischen Hauptkasse bei Eisdielen toleriert wird, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Während beispielsweise Bayern ein solches Zwei-Kassen-Modell bei Eisdielen unter den genannten Voraussetzungen bejaht, wird in Baden-Württemberg auf Anweisung der vorgesetzten Behörden restriktiver verfahren. Es ist dringend ratsam, in solchen Fällen einen steuerlichen Berater hinzuzuziehen und die besonderen Verhältnisse der zuständigen Finanzbehörde vorzutragen.
Neben der Eisdiele mit Straßenverkauf sind auch weitere Konstellationen, wie z. B. ein separater "Bierbrunnen" u. a. denkbar, die im Einzelfall den Einsatz einer zusätzlichen offenen Ladenkasse als Zweitkasse rechtfertigen können.
2.4.2 Beispiel: Thekenkasse
Wird eine zusätzliche Thekenkasse in Form einer offenen Ladenkasse betrieben, dürfte es schwierig werden, zu begründen, dass die Erfassung der Thekengeschäfte über die vorhandene Registrierkasse unzumutbar sei. Auch wenn sich eine organisatorische Abgrenzung vom übrigen Geschäftsbereich noch aufzeigen ließe, so wird es letztlich an einer eindeutigen räumlichen Trennung scheitern.
2.4.3 Beispiel: Nebenzimmer, Biergarten oder Kegelbahn
Während bei diesen Bereichen die eindeutige räumliche Trennung von den Hauptgeschäftsräumen unterstellt werden kann, ist es dennoch meist zumutbar, die vorhandene elektronische Kasse zu bedienen. Insbesondere dann, wenn das Bedienpersonal die Kundenbestellungen an den Theken- oder Küchenbereich weitergibt, dort auch die Warenausgabe erfolgt und sich die elektronische Registrierkasse in unmittelbarer Nähe befindet.
Ob die im Anwendungserlass zu § 146 AO genannten Anforderungen für die Verwendung mehrerer unterschiedlicher Aufzeichnungssysteme jeweils erfüllt sind, entscheidet immer der Einzelfall.