Leitsatz
Ein Erlass von Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen ist auch bei einer durch das Finanzamt verschuldeten überlangen Bearbeitungsdauer regelmäßig ausgeschlossen.
Sachverhalt
Ein Ehepaar wurde für das Jahr 1999 mangels Abgabe einer Steuererklärung vom Finanzamt geschätzt. Gegen den Einkommensteuerbescheid legten die Eheleute Einspruch ein. Im August 2002 wurde dieses Einspruchsverfahren an die Rechtsbehelfsstelle abgegeben, im November 2002 reichten die Kläger zur Begründung des Einspruchs die Einkommensteuererklärung 1999 ein. Im Juni 2004 forderte das Finanzamt die Eheleute auf, einzelne Angaben in der Erklärung nachzuprüfen. Im Januar 2005 nahm der Steuerberater der Kläger hierzu Stellung. Im Februar 2005 erfolgte eine weitere Nachfrage seitens des Finanzamts, an diese wurde im 2006 erinnert. Mit Einspruchsentscheidung vom September 2007 gab das Finanzamt dem Einspruch nur teilweise statt, da ein Nachweis einzelner Position in der Einkommensteuererklärung nicht erfolgt war.
Das Finanzamt kam zu einer Einkommensteuernachzahlung 1999 in Höhe von rund 48.000 EUR und setzte Nachzahlungszinsen für 77 Monate fest. Die Eheleute beantragten den Erlass dieser Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen. Das Finanzamt habe die unangemessen lange Verfahrensdauer zu vertreten. Zudem hätte das Finanzamt von einer Abbuchungsermächtigung Gebrauch machen können. Gegen die Ablehnung des Erlasses legten die Kläger Einspruch ein. Diesen wies das Finanzamt zurück. Hier sei die Verfahrensdauer teilweise auf das Verhalten der Kläger bzw. ihres steuerlichen Vertreters zurück zu führen. Nach der Rechtsprechung des BFH könne auch bei überlanger Verfahrensdauer ein Erlass abgelehnt werden, wenn der Steuerpflichtige einen Zinsvorteil erlangt habe. Auf ein Verschulden komme es nicht an.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage auf Erlass der Zinsen ab. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können erlassen werden, wenn ein Billigkeitsgrund vorliegt. Hier kämen nur sachliche Billigkeitsgründe in Betracht. Allerdings sei nach der Rechtsprechung des BFH eine überlange Verfahrensdauer nicht als sachlicher Billigkeitsgrund anzusehen. Die Vollverzinsung nach § 233a AO sei unabhängig von dem Verschulden einer der Beteiligten anzuwenden. Diese Bestimmung sei deswegen vom Gesetzgeber geschaffen worden, um die Liquiditätsvorteile, die sich aus einer verspäteten Steuerzahlung ergäben, auszugleichen. Diese Zinsen seien kein Sanktions- oder Druckmittel, sondern eine laufzeitunabhängige Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung
Hinweis
In der Entscheidung wird anschaulich die Rechtslage hinsichtlich eines Erlasses von Zinsen nach § 233a AO aus Billigkeitsgründen in den Fällen einer überlangen Verfahrensdauer dargestellt. Dabei steht diese Entscheidung in der Reihe verschiedener, aus der Sicht der Steuerpflichtigen regelmäßig sehr misslicher Entscheidungen. Regelmäßig soll nach der Rechtsprechung des BFH eine überlange Verfahrensdauer auch dann keinen Anspruch auf einen Erlass von Zinsen begründen, wenn diese Verzögerungen durch das Finanzamt zu vertreten sind . Begründet wird dies damit, dass es sich bei den Zinsen nach § 233a AO nicht um eine Sanktion handelt. Lediglich der Zinsvorteil, der durch die späte Zahlung erlangt wird oder werden könnte, soll ausgeglichen werden. Insofern kommt die Entscheidung des FG München nicht überraschend. Gleichwohl ist die Rechtsprechung des BFH nicht zweifelsfrei. Nach der wohl h.M. in der Literatur sind die Umstände des Einzelfalls sehr wohl zu berücksichtigen . Insbesondere soll ein Erlass dann geboten sein, wenn kein erkennbarer Grund für die überlange Bearbeitungsdauer gegeben ist. Das FG München hat gar nicht erst geprüft, ob ein solcher Sonderfall hier bestanden hat, sondern sogleich auf die BFH-Rechtsprechung abgestellt.
Die Entscheidung ist bestandskräftig. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 12.05.2009, 13 K 3715/08