Leitsatz

1. Im Rahmen der Gewährung einer Energiesteuerbegünstigung steht den Hauptzollämtern bei der Einordnung eines Unternehmens in die Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes eine eigene Prüfungskompetenz zu. An eine von den Statistikbehörden vorgenommene Einordnung sind sie nicht gebunden.

2. Ein Unternehmen, das Heil- und Gewürzpflanzen wäscht, zerkleinert, trocknet, schneidet und fraktioniert und diese Erzeugnisse ohne Aufmachung für den Einzelverkauf ungemischt und undosiert an andere Unternehmen weiterverkauft, ist kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes i.S.v. § 25 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a MinöStG 1993, sondern betreibt einen Großhandel mit Nahrungsmitteln.

 

Normenkette

§ 25 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a MinöStG 1993 , § 2 Nr. 3, § 11 Nr. 4 StromStG, § 15 Abs. 1 und 8 StromStV

 

Sachverhalt

Ein Unternehmen verarbeitet landwirtschaftliche Rohstoffe, insbesondere Wurzeln und  Kräuter und Blüten durch Waschen, Zerkleinern, Trocknen, Schneiden, Sichten, Fraktionieren; ferner lagert sie Agrarprodukte und handelt mit ihnen. Es verwendet Strom, Erd- und Flüssiggas, wofür es eine Erlaubnis nach § 9 StromStG bzw. Erstattung nach § 25 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a MinöStG 1993 begehrt. Die Wertschöpfung entfiel 2000 zu 38 % auf den Großhandel mit Getreide, Saaten und Futtermittel sowie mit 81 % auf Sonderkulturen. Das Landesamt für Statistik ordnete das Unternehmen in den Abschnitt D "Verarbeitendes Gewerbe" und dort in die Klasse 15.86 – Verarbeitung von Kaffee und Tee – der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts, Ausgabe 1993 (WZ 93) ein.

Das HZA ordnet das Unternehmen hingegen nicht dem Produzierenden Gewerbe, sondern dem Großhandel mit Getreide, Saaten und Futtermitteln zu (Klasse 51.21.0 WZ 93), sodass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Mineralölsteuerbegünstigung nicht vorlägen; es hat die zunächst erteilte Erlaubnis zur Entnahme steuerbegünstigten Stroms widerrufen und die erstattete Mineralölsteuer zurückgefordert bzw. den Erstattungsantrag abgelehnt. Zu Recht, urteilte das FG (FG Thüringen vom 12.07.2007 II 1160/03, Haufe-Index 1842054, EFG 2007, 1905).

 

Entscheidung

Das sah auch der BFH so. Das HZA ist an die Rechtsansicht der Statistikbehörde nicht gebunden, und der BFH hält diese im Streitfall ebenso wie das HZA für falsch: Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Unternehmens liegt im Handel mit zum menschlichen Verzehr bestimmten Heil- und Gewürzpflanzen, die lediglich handelsüblichen Manipulationen unterzogen werden. Die Tätigkeit ist daher Abschnitt G Unterklasse 51.38.3 WZ 93 (Großhandel mit Nahrungsmitteln) zuzuordnen. Zu den handelsüblichen Manipulationen zählen u.a. Sortieren, Trennen, Zusammenstellen und Verpacken. Nur solche Tätigkeiten sind als Verarbeitung oder Herstellung anzusehen, bei denen das Einwirken auf die Ware zu einer nicht unerheblichen Veränderung ihrer stofflichen Zusammensetzung führt, sodass ein Produkt entsteht, das von den verwendeten Ausgangsstoffen verschieden ist.

 

Hinweis

Mineralölsteuer wird erlassen, erstattet oder vergütet für versteuerte Erd- und Flüssiggase, die von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes (§ 2 Nr. 3 StromStG in der jeweils geltenden Fassung) zu den nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 bis 3 und Abs. 3 sowie § 32 Abs. 1 MinöStG 1993 begünstigten Zwecken verwendet worden sind (§ 25 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a MinöStG 1993). Es gilt die für statistische Zwecke erfolgte Klassifikation der Wirtschaftszweige (sog. WZ 93) als eine an das Gemeinschaftsrecht (NACE) angelehnte Typisierung (BFH, Urteil vom 24.08.2004, VII R 23/03, BFH/NV 2005, 145, BFH/PR 2005, 43).

Die Finanzbehörden sind aber nicht etwa an die Einordnung eines Unternehmens in die WZ 93 durch die Statistikbehörden gebunden. Über die Gewährung der energiesteuerrechtlichen Begünstigung und die dafür erforderliche Einordnung des Unternehmens in die WZ 93 entscheidet das HZA in eigener Zuständigkeit.

Zum Investitionszulagengesetz 1993 hat der BFH (z.B. BFH, Urteil vom 07.03.2002, III R 44/97, BFH/NV 2002, 1109, BFH/PR 2002, 353) davon gesprochen, das FA habe "in aller Regel" die Einordnung der Statistikbehörde zu übernehmen, "sofern diese nicht offensichtlich unzutreffend ist". Das bedeutet freilich gerade keine strenge Bindung an die Entscheidung jener Behörde, sondern ist vielmehr eine, freundlich gesagt, missverständliche Ausdrucksweise, die – insofern richtig – darauf hinweisen will, dass die Rechtsansicht der Statistikbehörde für das FA ein wichtiger Anhaltspunkt für die eigene Prüfung sein muss und deshalb in Zweifelsfällen abgefragt werden sollte.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.10.2008, VII R 38/07

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