Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Befindet sich ein Student wegen einer vorsätzlich begangenen schweren Straftat in Haft, haben seine Eltern während der Unterbrechung seines Studiums keinen Anspruch auf Kindergeld. Das FG Berlin-Brandenburg ist der Ansicht, dass das Kind seine Zwangspause selbst verursacht hat.
Sachverhalt
Ein Jurastudent betätigte sich nebenbei als Drogenkurier und wurde im Juni 2003 von der Polizei verhaftet, als er Haschisch und Ecstasytabletten im Wert von 100.000 EUR transportierte. Aufgrund unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wurde er zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die später teilweise zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wegen der Untersuchungs- und Strafhaft konnte er sein Studium erst zum Wintersemester 2005 wieder aufnehmen. Seine Mutter wandte sich gegen die Aberkennung des Kindergelds für den Zeitraum Juli 2003 bis September 2005 und argumentierte, dass ihr Sohn während der Haft durchaus studierwillig war und nur aus objektiven Gründen am Studium gehindert war.
Entscheidung
Es besteht kein Anspruch auf Kindergeld. Ein volljähriges Kind kann nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG nur berücksichtigt werden, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Dies war aber ab dem Zeitpunkt der Inhaftierung des Kindes nicht mehr der Fall. Es kommt dabei nicht auf das formale Weiterbestehen des Ausbildungsverhältnisses an (hier: die Immatrikulation), sondern auf die tatsächliche Durchführung des Studiums. Die Mutter kann sich ferner nicht auf das BFH-Urteil v. 20.7.2006 (III R 69/04) berufen, in dem der BFH einen Kindergeldanspruch trotz Inhaftierung des Kindes bejaht und diese Entscheidung mit Fällen verglichen hatte, in denen das Kind seine Ausbildung wegen einer Erkrankung unterbrechen muss. Der BFH-Entscheidung lag der Fall eines Kindes zugrunde, das für die Dauer eines Strafverfahrens im Ausland verbleiben musste und schließlich freigesprochen wurde. Der Fall des Drogenschmuggels war gänzlich anders gelagert, da das Kind hier wegen einer vorsätzlich begangenen schweren Straftat verurteilt wurde. In diesem Fall war nicht die Anordnung bzw. Vollziehung der Haft für die Unterbrechung des Studiums ursächlich, sondern das strafbare Verhalten des Kindes. Somit kann der Fall nicht mit einer krankheitsbedingten Unterbrechung verglichen werden.
Hinweis
Die Entscheidung des FG zeigt, dass der Kindergeldanspruch insbesondere bei vorsätzlich begangenen Straftaten des Kindes gefährdet ist. Ähnlich hat das FG Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 12.2.2008 (4 K 435/06) in einem Fall entschieden, in dem die Unterbrechung der Ausbildung auf einer Straftat beruhte, die das Kind noch während der Bewährungszeit für eine vorangegangene Straftat begangen hatte.
Gegen das Urteil ist die Revision beim BFH anhängig unter dem Az. III R 52/10
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.07.2010, 10 K 10288/08