Leitsatz
Weder aus Art. 24 noch aus Art. 29 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention) ergibt sich ein Anspruch auf Kindergeld.
Normenkette
Art. 24 Abs. 1 Buchst. b, Art. 29 Genfer Konvention
Sachverhalt
Der Klägerin und ihren Kindern war im November 2000 eine Zusage für die Aufnahme als jüdische Zuwanderer aus der Sowjetunion und im August 2001 ein Visum erteilt worden. Im August 2001 reisten sie ein und erhielten im November 2001 eine Bescheinigung über den Status als Kontingentflüchtlinge. Die Familienkasse gewährte Kindergeld erst ab November 2001.
Das FG gab der Klage auf Kindergeldbewilligung schon ab dem Einreisemonat (August 2001) statt (EFG 2004, 350).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Familienkasse. Denn die Klägerin war bei der Einreise nicht im Besitz eines zum Kindergeld berechtigenden Aufenthaltstitels. Die Voraussetzungen für die Einreise richteten sich aufgrund des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (HumHiG) nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Rechtsstellung nach der Genfer Konvention berechtigt einen Flüchtling aber nicht zum Bezug von Kindergeld.
Hinweis
Ausländer haben nur Anspruch auf Kindergeld, wenn sie im Besitz eines in § 62 Abs. 2 EStG aufgeführten Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder -- bei vor 2005 verwirklichten Sachverhalten -- einer qualifizierten Aufenthaltsgenehmigung nach dem Ausländergesetz (AuslG) sind. Der Aufenthaltstitel muss tatsächlich erteilt sein. Der bloße Anspruch auf eine Erteilung genügt nicht.
Zu entscheiden war, ob einem Ausländer, der aufgrund einer Aufnahmezusage und eines Visums -- aber vor Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis -- eingereist ist, im Hinblick auf seine Rechtsstellung als Flüchtling nach der Genfer Konvention bereits ab dem Einreisemonat oder erst ab dem Monat der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis Kindergeld zusteht.
Der BFH verneint einen Kindergeldanspruch aufgrund der Genfer Konvention. Danach sind Flüchtlinge zwar hinsichtlich der Bestimmungen zur sozialen Sicherheit Deutschen gleichzustellen, jedoch vorbehaltlich solcher Leistungen, die ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten werden.
Auf das Kindergeld nach dem BKKG vor 1996 bestand nach der Genfer Konvention kein Anspruch, da es ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten wurde.
Daran hat sich auch durch die Systemumstellung aufgrund der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs ab 1996 nichts geändert:
- Erzielt der Flüchtling einkommensteuerpflichtige Einkünfte, wird er nicht höher besteuert als ein Deutscher, da das steuerliche Existenzminimum des Kindes und der Betreuungsbedarf durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG freigestellt werden.
- Die Freibeträge können bereits auf der Lohnsteuerkarte und bei der Festsetzung der ESt-Vorauszahlungen berücksichtigt werden.
- Soweit das Kindergeld der Förderung der Familie dient, erfüllt es eine von der steuerrechtlichen Belastung unabhängige sozialrechtliche Funktion. Hier scheidet ein Anspruch nach der Genfer Konvention ebenso wie für das das Kindergeld nach dem BKKG -- unabhängig davon, ob es überhaupt zur Gewährleistung der sozialen Sicherheit gehört -- deshalb aus, weil es ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten wird.
Nach Abschn. 62.4.2 DA-FamEStG haben Flüchtlinge im Sinn der Genfer Konvention aufgrund des Vorläufigen Europäischen Abkommens über soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen vom 11.12.1953 i.V.m. Art. 2 des Zusatzprotokolls allerdings einen Anspruch auf Leistungen unter denselben Bedingungen wie Deutsche, also auch auf Kindergeld, sofern sie seit mindestens sechs Monaten in der Bundesrepublik wohnen.
Der BFH hat die Anspruchsberechtigung für diese Fälle ausdrücklich offen gelassen, da die Sechs-Monats-Frist im Streitfall noch nicht abgelaufen war.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.10.2007, III R 90/03