Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Der BFH hatte sich in den vergangenen Monaten in 2 Verfahren mit der Frage beschäftigen müssen, ob der Abzug von Vermarktungskosten durch einen Unternehmer gegenüber einem Vorlieferanten (sog. "Vorkosten") Entgelt für eine eigenständige Leistung des Unternehmers gegenüber dem Vorlieferanten darstellt oder ob es sich um eine Minderung des Leistungsentgelts für die an den Unternehmer ausgeführte Leistung handelt. Der BFH war in beiden Fällen zu dem Ergebnis gekommen, dass der Unternehmer keine Leistung gegenüber seinem Vorlieferanten ausführt und damit der Abzug der Vorkosten nur eine Minderung der Bemessungsgrundlage für die an den Unternehmer ausgeführte Leistung darstellen könne. Konkret ging es um die beiden folgenden Fälle:
- Ein Schlachthof, der beim Erwerb von zur Schlachtung bestimmten Tieren die im Rahmen der Schlachtung anfallenden Kosten (sog. "Vorkosten") vom Kaufpreis für das jeweilige Tier abzieht, erbringt damit keine sonstigen Leistungen an die Lieferanten der Tiere, wenn die diesen Kosten zugrundeliegenden Vorgänge im eigenen Interesse des Schlachthofs liegen.
- Kauft eine Erzeugergenossenschaft Lebensmittel von ihren Mitgliedern in ihrer Eigenschaft als Erzeuger an und liefert diese Lebensmittel in eigenem Namen und auf eigene Rechnung an Abnehmer weiter, sind "Marktgebühren", die die Erzeugergenossenschaft von dem an die Erzeuger zu zahlenden Kaufpreis abzieht, kein Entgelt für eine Vermarktungsleistung.
Allein der Umstand, dass eine empfangene Leistung an eine andere Person vertraglich weiterberechnet wird, führt nicht dazu, dass sie vom Leistenden direkt an den Zahlenden oder auch vom Leistungsempfänger an den Zahlenden erbracht sein muss.
Die Finanzverwaltung nimmt jetzt diese beiden Entscheidungen in den UStAE auf und stellt klar, dass Marktgebühren, die eine Erzeugerorganisation beim Ankauf von Lebensmitteln von ihren Mitgliedern für die Vermarktung der Lebensmittel erhebt, kein Entgelt für eine sonstige Leistung der Erzeugerorganisation darstellen, sondern die Bemessungsgrundlage der Lieferungen der Mitglieder an die Erzeugerorganisation mindern, wenn die diesen Kosten zugrundeliegenden Aufwendungen im eigenen Interesse der Erzeugerorganisation liegen.
Konsequenzen für die Praxis
Die Weiterbelastung von Kosten stellt grundsätzlich keine Leistung im wirtschaftlichen Sinne dar. So hat der BFH zutreffend entschieden, dass Vermarktungskosten, die ein Unternehmer einem Zulieferer weiterbelastet, kein Entgelt für eine gegenüber dem Zulieferer ausgeführte sonstige Leistung darstellen können. Vielmehr mindert es das Entgelt für die Leistung, die der Vorlieferant gegenüber dem Unternehmer ausführt.
In diesen Fällen ist insbesondere auch auf eine korrekte Abrechnung für die Leistung des Vorlieferanten zu achten. Wird in einer Rechnung eine Bemessungsgrundlage und eine darauf entfallende Umsatzsteuer ohne Abzug der "Vorkosten" angegeben, handelt es sich insoweit um einen unrichtigen Steuerausweis – der leistende Unternehmer schuldet die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer, der Leistungsempfänger hat insoweit keinen Vorsteuerabzug. Da oftmals in solchen Fällen der Vorlieferant keine detaillierte Kenntnis über den Umfang der als Minderung der Bemessungsgrundlage anzusehenden Vorkosten haben wird, bietet sich die Abrechnung mittels Gutschrift durch den Leistungsempfänger an.
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn bis zur Veröffentlichung des Schreibens die Weiterberechnung der Vorkosten abweichend von den dargestellten Grundsätzen als eigenständige Leistung behandelt worden ist.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 20.6.2023, III C 2 – S 7200/19/10006 :001, BStBl 2023 I S. 1123.