Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Die eigene Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts-GmbH nach § 59j BRAO führt nicht zu Lohn bei den angestellten Anwälten. Die Rechtsanwalts-GmbH wendet dadurch weder Geld noch einen geldwerten Vorteil in Form des Versicherungsschutzes zu.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 42d EStG, § 51 Abs. 1, § 59c, § 59j BRAO
Sachverhalt
K ist eine international tätige Rechtsanwalts-GmbH; sie tritt gegenüber Mandanten als Vertragspartei auf und hat Prozessvollmacht. Ks Geschäftsführern ist arbeitsvertraglich eine eigene Anwaltstätigkeit untersagt. K hat als alleinige Versicherungsnehmerin eine eigene Berufshaftpflichtversicherung (Versicherungssummen nach § 59j Abs. 2 BRAO: 2,5 Mio. EUR, später 10 Mio. EUR je Versicherungsfall; Höchstleistung von 10 Mio. EUR, später 20 Mio. EUR je Versicherungsjahr). Versichert sind Schäden, die K selbst oder Personen verursachen, für die K nach §§ 278, 831 BGB einzustehen hat. Die Versicherungsprämien richten sich nach Anzahl, Funktion und zeitlichem Umfang der Tätigkeit der bei K beschäftigten Rechtsanwälte; sie sind im Versicherungsschein mit dem auf sie rechnerisch entfallenden Versicherungsbeitrag genannt, die Summe ist Ks Gesamtprämie. Alle angestellten Anwälte hatten auch die nach § 51 BRAO notwendige persönliche Berufshaftpflichtversicherung mit den Mindestversicherungssummen des § 51 Abs. 4 BRAO. Die Versicherungsprämien dafür hatte K übernommen und lohnversteuert, nicht aber die Beiträge für ihre (Ks) eigene Haftpflichtversicherung. Das FA sah Ks eigene Beiträge im Umfang einer "Grunddeckung" als lohnsteuerpflichtigen Vorteil der Anwälte und erließ einen LSt-Haftungsbescheid. Ks Klage war erfolgreich (FG Hamburg, Urteil vom 4.11.2014, 2 K 95/14, Haufe-Index 7560211, EFG 2015, 393).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG und wies die Revision des FA – wie in den Praxis-Hinweisen erläutert – zurück.
Hinweis
Dieses Besprechungsurteil gründet auf dem weitgehend gleichen Rechtsmaßstab wie das vom selben Tag zum lohnsteuerlichen Vorteil aus der Betriebshaftpflichtversicherung eines Krankenhauses (VI R 47/14, BFH/PR 2016, 138, BFH/NV 2016, 472). Aber hier liegt der Schwerpunkt nicht auf der Frage, ob der Vorteil tatsächlich gerade durch das Arbeitsverhältnis veranlasst ist. Diesen spezifischen Veranlassungszusammenhang verneint der Lohnsteuersenat u.a. dann, wenn – so die Quintessenz des Urteils VI R 47/14 – der Arbeitgeber originär eigenbetrieblich tätig wird, indem er ausschließlich andere betriebsfunktionale Zielsetzungen als die Entlohnung seiner Arbeitnehmer verfolgt und damit keine Vorteile "für" eine Beschäftigung bewirkt.
Hier geht es um das Tatbestandsmerkmal "Vorteile", ob nämlich der Arbeitnehmer überhaupt irgendetwas vom Arbeitgeber erhält. Das verneint der BFH im Fall hier, begründet mit den jeweils eigenen Versicherungspflichten für die Rechtsanwalts-GmbH als Arbeitgeberin einerseits und für die angestellten Rechtsanwälte andererseits. Denn K als Rechtsanwalts-GmbH versichert nur ihre eigenen Risiken (Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden i.S.d. §§ 59j, 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO); dazu ist K auch gesetzlich verpflichtet (§ 59c Abs. 1, § 59j Abs. 1 BRAO). Die Absicherung der eigenen Haftpflichtrisiken hat keine positiven Folgen für Ks angestellte Rechtsanwälte. Denn gegen die angestellten Rechtsanwälte selbst gerichtete Haftpflichtansprüche wären dadurch nicht gedeckt. K wandte also mit ihrer eigenen Berufshaftpflichtversicherung ihren Arbeitnehmern weder Geld noch einen geldwerten Vorteil in Form des Versicherungsschutzes zu. Ks angestellte Rechtsanwälte ersparten sich im Unterschied zum Fall der Betriebshaftpflichtversicherung des Krankenhauses (VI R 47/14) auch nichts. Denn sie bleiben weiter nach § 51 Abs. 1 BRAO zu einer eigenen Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet; die Verpflichtungen aus § 59j BRAO und § 51 Abs. 1 BRAO bestehen unabhängig und selbstständig nebeneinander. K hatte ihren angestellten Rechtsanwälten zwar einen lohnsteuerlichen Vorteil zugewandt, nämlich deren Versicherungsbeiträge für deren eigene Berufshaftpflichtversicherung (§ 51 Abs. 1 BRAO). Der war aber nicht im Streit, denn den hatte K lohnversteuert. Zu dieser Konstellation (Übernahme von Versicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber als Lohn) lagen schon Urteile vor (BFH, Urteil vom 26.7.2007, VI R 64/06, BFH/NV 2007, 1993, BFH/PR 2007, 454); deren Grundsätze greifen aber nicht bei eigenen Versicherungen des Arbeitgebers selbst. Schließlich begründete auch der im Vergleich zum Versicherungsschutz der angestellten Rechtsanwälte höhere Mindestversicherungsschutz der GmbH keinen mittelbaren Vorteil. Insoweit ist die Lage auch nicht mit einer in der Rechtsform einer GbR tätigen Rechtsanwaltssozietät und den Voraussetzungen einer Haftungsinanspruchnahme eines Sozietätsanwalts vergleichbar.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.11.2015 – VI R 74/14