Leitsatz
Bei der Berücksichtigung früherer Erwerbe nach § 14 ErbStG ist die Erbschaft- oder Schenkungsteuer für den letzten Erwerb so zu berechnen, dass sich der dem Steuerpflichtigen zur Zeit dieses Erwerbs zustehende persönliche Freibetrag tatsächlich auswirkt, soweit er nicht innerhalb von zehn Jahren vor diesem Erwerb verbraucht worden ist.
Normenkette
§ 14 Abs. 1 ErbStG , § 16 ErbStG
Sachverhalt
Der Kläger erhielt von seinem Vater folgende Schenkungen:
Vorschenkung I 1987 560.332 DM
Vorschenkung II 1990 3.046.217 DM
Vorschenkung III 1995 843.729 DM
mehr als zehn Jahre
nach VS I 1997 1.319.839 DM
Das FA ermittelte die für die letzte Schenkung festzusetzende Steuer wie folgt:
Erwerb 1.319.839 DM
+ VS II und III 3.889.946 DM
Summe 5.209.785 DM
./. Freibetrag 400.000 DM
steuerpflichtiger Erwerb (gerundet) 4.809.700 DM
x Steuersatz 19 % 913.843 DM
./. Anrechnungsbetrag VS II und III 680.181 DM
233.662 DM
Der Anrechnungsbetrag war folgendermaßen ermittelt:
VS II und III 3.889.946 DM
./. Freibetrag 1997 400.000 DM
+ wieder auflebender Freibetrag 1987 90.000 DM
Erwerb (gerundet) 3.579.900 DM
x Steuersatz 19 % 680.181 DM
Als tatsächlich für die VS II und III zu entrichtende Steuer i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ermittelte das FA einen Betrag von 610.428 DM.
Die Berechnungsweise des FA führte zu einem völligen Verlust des Freibetrags von 400.000 DM. Dagegen wandte sich der Kläger mit dem Begehren, statt des 1997 geltenden Freibetrags von 400.000 DM den zum Zeitpunkt der Vorschenkungen geltenden Freibetrag von 90.000 DM abzuziehen, wodurch sich ein Anrechnungsbetrag von 19 % der VS II und III ergäbe.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des Klägers statt. Um den (höheren) Freibetrag für die letzte Schenkung tatsächlich wirksam werden zu lassen, ist bei der Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer ein Freibetrag vom Wert der Vorschenkungen nur in der Höhe abzuziehen, in der ihn der Steuerpflichtige innerhalb von zehn Jahren vor dem letzten Erwerb tatsächlich für Erwerbe von derselben Person verbraucht hat. Die Hinzurechnung eines wieder auflebenden Freibetrags bei Schenkungsketten über zehn Jahre hinaus entfällt. Damit kommt der BFH zum selben Ergebnis wie der Kläger.
Im Streitfall ist der Freibetrag von 90.000 DM bereits für die außerhalb des maßgeblichen Zehnjahreszeitraums gelegene VS I in Anspruch genommen worden. Demzufolge entfiel bislang auf die VS II und III kein Freibetrag.
Hinweis
Die Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, wonach die abziehbare Steuer für die früheren Erwerbe nach der Rechtslage zur Zeit des letzten Erwerbs zu ermitteln ist, stellt eine Vereinfachungsregelung dar. Sie wird durch die Möglichkeit, nach Satz 3 der Vorschrift die tatsächlich auf die Vorerwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist, entschärft.
Im Streitfall führt diese Möglichkeit jedoch zu nichts, weil durch das neue ErbStG nicht nur die Freibeträge, sondern – in der Wirkung gegenläufig – auch die maßgeblichen Steuersätze erhöht worden sind. Diese Steuersatzerhöhung führt dazu, dass in der Ausgangsgröße nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG und die Abzugsgröße nach Satz 2 der Vorschrift die Vorschenkungen zwar zu den sich gegenseitig neutralisierenden höheren Steuersätzen eingehen, die tatsächlich zu entrichtenden Steuern auf die Vorschenkungen i.S.d. Satzes 3 der Vorschrift aber nicht geeignet sind, im Abzugsweg Nachteile bei den Freibeträgen wettzumachen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 2.3.2005, II R 43/03