Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Ein Vorsteuerabzug des leistungsempfangenden Gutschriftenausstellers scheidet aus, wenn die Umsätze der Gutschriftenempfänger die Grenzen des § 19 UStG nicht überschreiten und ein Verzicht auf die Kleinunternehmereigenschaft nicht ersichtlich ist.
Sachverhalt
Der Kläger war im Streitjahr 1997 als selbstständiger Handelsvertreter im Bereich der Mitgliederwerbung für den Verein für Internationale Flugambulanz e.V. (IFA) tätig. Für ihn arbeiteten 39 Werber, mit denen jeweils eine "Vereinbarung für Pressevertriebsagenten bzw. freie Handelsvertreter" bestand. An die freien Mitarbeiter zahlte er Provisionen von insgesamt 154.657 DM, aus denen er die streitige Vorsteuer geltend machte. Aufgrund von Auskunftsersuchen stellte die Umsatzsteuersonderprüfung fest, dass einige der Werber unbekannten Aufenthalts sind und vom Finanzamt bereits seit Jahren geschätzt wurden. Die anderen freien Mitarbeiter wurden bei ihren Finanzämtern nicht als Unternehmer geführt. Das Finanzamt vertrat in der Einspruchsentscheidung die Ansicht, dass die in den enthaltenen Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer mangels Berechtigung der Gutschriftenempfänger zum gesonderten Steuerausweis nicht als Vorsteuer abzugsfähig ist. Die Pressevertriebsagenten seien keine Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinn.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Ein Vorsteuerabzug aus den vom Kläger erteilten Gutschriften ist nicht möglich. Zunächst scheidet ein Vorsteuerabzug bereits deshalb aus, weil die Werber trotz fehlender Anmeldung zur Sozialversicherung, fehlendem Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht selbstständig tätig waren, da sie organisatorisch in einen Betrieb eingegliedert und weisungsgebunden waren sowie kein Vermögensrisiko und keine Unternehmerinitiative zu tragen hatten. Aber selbst wenn die Werber als Unternehmer angesehen werden könnten, steht dem Kläger kein Vorsteueranspruch zu, weil die Werber als Kleinunternehmer zu betrachten wären. Ihre Umsätze erreichten im Streitjahr nicht die in § 19 UStG genannte Grenze von 100.000 DM (… für das laufende Jahr). Ein Verzicht der einzelnen Werber auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung war im Streitfall nicht ersichtlich. Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen will, trägt insoweit die Darlegungs- und Feststellungslast für diejenigen Tatsachen, die den Vorsteueranspruch begründen.
Hinweis
Klar ist, dass gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 UStG die Vorschriften über den gesonderten Steuerausweis keine Anwendung finden. Demzufolge besteht für den Leistungsempfänger keine Vorsteuerabzugsberechtigung, wenn er eine Rechnung eines Kleinunternehmers erhält. Ebenso muss es sich verhalten, wenn der Leistungsempfänger gegenüber dem Leistenden mittels Gutschrift abrechnet. Widerspricht der Gutschriftenempfänger als leistender Kleinunternehmer einer Gutschrift mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer nicht, kann dies dazu führen, dass er die Steuer nach § 14c UStG schuldet .
Der Vorsteuerabzug aus einer einem Kleinunternehmer erteilten Gutschrift ist in der Praxis für den Leistungsempfänger nur dann möglich, wenn der Kleinunternehmer erkennbar gegenüber der Finanzbehörde auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet hat. Im hier besprochenen Streitfall waren die Werber entweder nicht bei den Finanzämtern erfasst oder hatten keine entsprechenden Erklärungen abgegeben. Zwar kann der Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht deshalb versagt werden, weil der Gutschriftenempfänger nicht beim Finanzamt registriert ist und sein Entgelt womöglich nicht umsatzversteuert; entscheidend ist aber, dass er gegenüber der Finanzbehörde ausdrücklich auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichten muss .
Der gute Glaube des Gutschriftenausstellers (Leistungsempfängers) an die "Nicht-Kleinunternehmereigenschaft" des Leistenden ist nach herrschender Auffassung auch dann nicht geschützt, wenn dieser eine entsprechende schriftliche Versicherung abgegeben hat.
Hinweis: Der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung kann im Übrigen auch nicht durch bloßen Ausweis der Umsatzsteuer erfolgen, sondern ist (zwingend) dem Finanzamt zu erklären und stellt folglich eine empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung dar. Gleichwohl kann die Option durch schlüssiges Verhalten, z. B. Abgabe von Voranmeldungen oder Jahreserklärungen, herbeigeführt werden.
Link zur Entscheidung
Sächsisches FG, Urteil vom 15.07.2009, 5 K 695/03