Leitsatz
Werden von einem Unternehmer geleistete Umsatzsteuervorauszahlungen unter Aufhebung der gegen ihn ergangenen Jahressteuerbescheide auf das Steuerkonto einer angeblich bestehenden GbR, deren Gesellschafter er sei, umgebucht, später jedoch unter erneutem Erlass gegen ihn gerichteter Umsatzsteuerbescheide wieder zurückgebucht, so steht einem vom Unternehmer nach Aufhebung dieser Umsatzsteuerbescheide wegen Festsetzungsverjährung geltend gemachten Erstattungsanspruch Zahlungsverjährung nicht entgegen.
Normenkette
§ 37 Abs. 2, § 124 Abs. 2, §§ 228, 229 AO
Sachverhalt
Eheleute hatten 1986 bis 1991 zwei Unternehmen betrieben. Ob es sich dabei um zwei selbstständige Unternehmen handelte oder eine verdeckte Mitunternehmerschaft vorlag, die umsatzsteuerrechtlich eine gemeinsame Erfassung der beiden Betriebe erforderte, ist vom FA im Lauf der Zeit unterschiedlich beurteilt worden. Die gegen jeden von den Partnern zunächst erlassenen Umsatzsteuerbescheide 1986 bis 1989 sind 1991 vom FA aufgehoben worden. Es erließ stattdessen für diese Jahre und die Jahre 1990 und 1991 Umsatzsteuerbescheide, die gegen eine nach dem Nachnamen der Eheleute benannte GbR gerichtet wurden. Dagegen haben die Eheleute Einspruch eingelegt. Der Umbuchung der geleisteten Steuervorauszahlungen auf das Konto der GbR haben sie aber nicht widersprochen. Die Bescheide gegen die GbR wurden später (1999) wieder aufgehoben und 2000 durch erneut gegen die beiden Eheleute als Einzelunternehmer gerichtete Umsatzsteuerbescheide 1986 bis 1991 ersetzt.
Das FA hat aber auch diese Bescheide 2006 aufgehoben, nachdem gegen sie wegen Festsetzungsverjährung Klage erhoben worden war. Der Ehemann möchte jetzt seine Vorauszahlungen erstattet bekommen. Das verweigert ihm das FA und hat darüber einen Abrechnungsbescheid erlassen. Diesen Bescheid hat das FG aufgehoben und das FA verpflichtet, den Kläger neu zu bescheiden. Es urteilte, der Kläger habe Anspruch auf Erstattung sämtlicher von ihm für die vorgenannten Jahre gezahlter Umsatzsteuerbeträge.
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.6.2011, 5 K 41/09, Haufe-Index 2740108) mit der Maßgabe bestätigt, dass nicht neu zu bescheiden, sondern der Erstattungsbetrag in dem Urteil festzusetzen sei.
Hinweis
1 Die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen erledigt sich (§ 124 Abs. 2 AO) durch die Festsetzung der Jahresumsatzsteuer, sofern nicht die Vorauszahlungsfestsetzungen von der Rechtswirkung der Jahresfestsetzung unabhängige Rechtswirkungen entfalten, die insoweit bestehen bleiben. Das ist überkommene und im Interesse einer sachgerechten Bestimmung des Verhältnisses der beiden vorgenannten Festsetzungen überzeugende Rechtsprechung, obwohl sie das dogmatisch an sich etwas Schräge postuliert, dass sich die Rechtswirkung eines Bescheides nicht aus seinem Entscheidungsausspruch, sondern aus seiner Begründung und möglicherweise sogar nur aus den Umständen seines Erlasses ergeben soll!
Wird später der betreffende Jahressteuerbescheid wieder aufgehoben, kann das unter Umständen zur Folge haben, dass die – zunächst erledigten – Vorauszahlungsfestsetzungen wieder zu Leben erwachen; denn wenn das erledigende Ereignis ex tunc beseitigt wird, welches jenen die Rechtswirkungen genommen hatte, treten logischerweise diese Rechtswirkungen erneut ein. Das gilt freilich dann nicht, wenn der Regelungswille des FA dabei gerade nicht darauf gerichtet war, die Vorauszahlungsfestsetzungen wieder zum Leben zu erwecken (hier: weil keine Einzelunternehmen vorgelegen hätten, sondern eine GbR Steuerschuldnerin sei); das mag man daraus herleiten, dass die rechtliche Auswirkung einer Jahresfestsetzung eben (siehe oben) von deren Begründung abhängt, oder daraus, dass Vorauszahlungsfestsetzungen, denen nach der Begründung des Jahresbescheides der Rechtsgrund fehlt, durch einen solchen Jahres(aufhebungs)bescheid stillschweigend mit aufgehoben werden.
2. Im Besprechungsfall war die Aufhebung der (ersten) Jahressteuerbescheide (gegen die angeblichen Einzelunternehmer) mit einer Jahressteuerfestsetzung gegen die angeblich aus ihnen gebildete GbR verbunden. Ist dadurch ein Erstattungsanspruch entstanden (der inzwischen zahlungsverjährt wäre)? Solches dem Kläger entgegenzuhalten würde bei ihm schwerlich auf Verständnis stoßen: das FA hatte schlichtweg auf das Konto der angeblich bestehenden GbR umgebucht; sollte man da erwarten können, dass der Unternehmer dem widerspricht, obwohl er doch zweifellos für die Steuerschuld "seiner" GbR genauso einstehen müsste wie für eine eigene? Hier einen unbefriedigten und nunmehr verjährten Erstattungsanspruch zu konstruieren wäre aber auch dogmatisch unter mehreren Gesichtspunkten einigermaßen abwegig: Zunächst wird man in der widerspruchslosen Hinnahme der Umbuchung den stillschweigenden Abschluss eines Verrechnungsvertrags sehen müssen, aber genauso gut mit dem BFH argumentieren können, ein Erstattungsanspruch sei deshalb gar nicht entstanden, weil nur der Rechtsgrund Steuer...