Leitsatz
1. § 41c Abs. 3 Satz 4 EStG ist erstmals auf den laufenden Arbeitslohn anzuwenden, der für einen nach dem 31.12.2013 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird. Eine Anwendung auf alle Änderungsanträge, über die nach dem 31.12.2013 zu entscheiden ist, unabhängig davon, ob sie Lohnsteuer-Anmeldungen für Veranlagungszeiträume vor 2014 betreffen, kommt nicht in Betracht.
2. Steht eine Lohnsteuer-Anmeldung nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, hindert § 41c Abs. 3 Satz 4 EStG eine Änderung der Lohnsteuer-Anmeldung nach den allgemeinen Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO nicht.
3. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO ist auch erfüllt, wenn ein Dritter den Arbeitgeber bei Abgabe einer Lohnsteuer-Anmeldung arglistig täuscht.
4. Auch wenn die Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO erfüllt sind, ist eine Änderung nicht zwingend, sondern liegt im Ermessen des FA. Eine Ermessensreduzierung auf Null kommt nicht in Betracht.
Normenkette
§ 41c Abs. 3 Sätze 4 und 1, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 155, § 164 Abs. 2 Satz 1, § 167 Abs. 1 Satz 1, § 168 Satz 1, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c, § 173 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO, § 101 Sätze 1 und 2, § 102 Satz 1, § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO
Sachverhalt
M war für die Klägerin – eine Gemeinschaftspraxis – tätig und überwiegend mit Buchhaltungsaufgaben betraut. Ihr pauschalversteuertes Arbeitsentgelt belief sich auf 400 EUR monatlich. Ab Mitte 2010 erwirkte M unter Vorspiegelung falscher Tatsachen monatliche Gehaltszahlungen in Höhe von 1.700 EUR an sich. Zugleich veranlasste sie die Anmeldung und Abführung der hierauf entfallenden Lohn- und Annexsteuern an das FA. Im April 2014 führte das FA eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin durch und hob anschließend den Vorbehalt der Nachprüfung betreffend die Lohnsteuer-Anmeldungen 1/2012 bis 6/2014 auf.
Nachdem die Klägerin die überhöhten Lohnzahlungen bemerkte, beantragte sie eine Änderung der Lohnsteuer-Anmeldungen für die Anmeldezeiträume 7/2010 bis 12/2015. Dem kam das FA weitgehend nach. Die Änderung der Lohnsteueranmeldungen 1/2012 bis 6/2014 lehnte es allerdings ab. Denn diese stünden nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Auch stehe ihrer Änderung § 41c Abs. 3 Satz 4 EStG entgegen.
Das FG gab der Klage statt (FG Münster, Urteil vom 8.6.2018, 1 K 1085/17 L, Haufe-Index 11907650, EFG 2018, 1482).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung betreffend die Lohnsteuer-Anmeldungen 1/2012 bis 6/2014 aufgehoben und das FA verpflichtet, den diesbezüglichen Änderungsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut zu verbescheiden.
Hinweis
1. Die streitigen Überzahlungen gehören nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn der M. Ihr wurden die streitigen Beträge nicht von der Klägerin, ihrer Arbeitgeberin, "gewährt"; vielmehr hat sie sich die entsprechenden Beträge eigenmächtig unter Überschreitung ihrer Befugnisse zugeteilt (vgl. BFH, Urteil vom 13.11.2012, VI R 38/11, BFH/NV 2013, 929).
2. Lohnsteueranmeldungen stehen Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§§ 167, 168 AO). Sie können daher – ohne weitere Voraussetzungen – grundsätzlich jederzeit bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist. Zudem sind Lohnsteuer-Anmeldungen nach den allgemeinen Korrekturvorschriften der Abgabenordnungänderbar.
3. § 41c Abs. 3 Satz 4 EStG steht einer Änderung der Lohnsteuer-Anmeldungen 1/2012 bis 6/2014 nach Maßgabe der allgemeinen Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO im Streitfall nicht entgegen.
a) Einer Änderung der Lohnsteuer-Anmeldungen 1/2012 bis 12/2013 nach Maßgabe der allgemeinen Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO steht § 41c Abs. 3 Satz 4 EStG schon deshalb nicht entgegen, weil die Vorschrift erstmals auf laufenden Arbeitslohn anzuwenden ist, der für einen nach dem 31.12.2013 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird.
b) Die Vorschrift hindert aber auch die Änderung der Lohnsteuer-Anmeldungen 1/2014 bis 6/2014 nach Maßgabe der allgemeinen Korrekturvorschriften – wie vom FG zutreffend entschieden – nicht.
aa) § 41c Abs. 3 Satz 4 EStG regelt seinem Wortlaut nach nur den Fall einer nachträglichen Änderung der Lohnsteuer-Anmeldung nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO. Diese ist nach der Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung nur dann zulässig, wenn sich der Arbeitnehmer ohne vertraglichen Anspruch und gegen den Willen des Arbeitgebers Beträge verschafft hat, für die Lohnsteuer einbehalten wurde. Damit ist zwar eine Änderung nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO in allen anderen von § 41c Abs. 3 Satz 4 EStG nicht erfassten Fällen ausgeschlossen, nicht dagegen eine Änderung nach Maßgabe der übrigen Korrekturvorschriften. Der Wortlaut des Gesetzes ist insoweit eindeutig.
bb) Soweit der Gesetzgeber mit der Regelung – wie vom FA geltend gemacht – eine darüber hinausgehende, allgemeine Änderungssperre bezweckt haben sollte – worauf die Ents...