Leitsatz
Dem EuGH werden zur Vorabentscheidung folgende Rechtsfragen vorgelegt:
1. Erlauben die Regelungen des Art. 73d Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EGV/Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EG, die Anrechnung spanischer ErbSt auf die deutsche ErbSt auch noch bei Erbfällen des Jahres 1999 gem. § 21 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 121 BewG (gegenständliche Beschränkung) auszuschließen?
2. Ist Art. 73b Abs. 1 EGV/Art. 56 Abs. 1 EG dahin auszulegen, dass die ErbSt, die ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union beim Erwerb von Kapitalforderungen eines zuletzt in Deutschland wohnenden Erblassers gegen Kreditinstitute in jenem Mitgliedstaat durch einen ebenfalls in Deutschland wohnenden Erben erhebt, auf die deutsche ErbSt angerechnet werden muss?
3. Kommt für die Entscheidung, welcher der beteiligten Staaten die Doppelbelastung zu vermeiden hat, der Sachgerechtigkeit der verschiedenen Anknüpfungspunkte in den nationalen Steuerrechtsordnungen Bedeutung zu und ist -- sollte dies der Fall sein -- die Anknüpfung an den Wohnsitz des Gläubigers sachnäher als die Anknüpfung an den Sitz des Schuldners?
Normenkette
Art. 56 Abs. 1, Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3, Art. 234 Abs. 3 EG, Art. 73b Abs. 1, Art. 73d Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EGV, § 21 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 121 BewG
Sachverhalt
Die zuletzt im Inland wohnhafte Erblasserin hatte ihr Kapitalvermögen bei Banken sowohl im Inland als auch in Spanien angelegt. Das FA weigerte sich, die für den Erwerb des Bankguthabens in Spanien gezahlte dortige ErbSt bei der Festsetzung der deutschen ErbSt auf den Gesamterwerb anzurechnen.
Es zog sie lediglich wie eine Nachlassverbindlichkeit von der Bemessungsgrundlage ab.
Nach erfolgloser Klage (EFG 2006, 59), mit der die Alleinerbin die Anrechnung auf die deutsche Steuer verlangt hatte, rief der BFH den EuGH an.
Entscheidung
Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und legte dem EuGH die im Leitsatz wiedergegebenen Fragen vor.
Hinweis
Hat ein zuletzt im Inland wohnhafter Erblasser Bankguthaben bei einer ausländischen Bank hinterlassen, gehören diese Kapitalforderungen nicht zum Auslandsvermögen i.S.d. Anrechnungsvorschrift des § 21 Abs. 1 ErbStG.
Das ergibt sich aus der Verweisung des Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auf § 121 BewG. Danach gehören zum Auslandsvermögen nur solche auf einen ausländischen Staat entfallenden Vermögensgegenstände, die in § 121 BewG genannt sind.
Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass die gesetzliche Definition des "Inlandsvermögens" in § 121 BewG auch zur Beschreibung des Auslandsvermögens i.S.d. § 21 ErbStG herhalten kann. Dahinter steckt jedoch die im Grundsatz vernünftige Überlegung, dass der deutsche Gesetzgeber dem ausländischen Staat zugesteht, seinem Besteuerungsanspruch diejenigen Vermögensgegenstände zu unterwerfen, die zu ihm einen Bezug haben, der -- hätten sie diesen Bezug zum Inland -- zur deutschen Besteuerung führen würde.
Damit lässt sich aber eine Doppelbelastung mit aus- und inländischer ErbSt nur vermeiden, wenn die beteiligten Staaten denselben Begriff von Inlands- und damit von Auslandsvermögen haben. Das ist jedoch nicht durchgehend der Fall. Ein Beispiel dafür sind Kapitalforderungen gegen Banken.
Deutschland knüpft seinen Besteuerungsanspruch nach dem Gläubiger an; Spanien richtet sich nach dem Schuldner. Da nach deutschem Recht eine Anrechnung ausgeschlossen ist, kommt es zu einer Doppelbelastung. Diese Doppelbelastung läuft der Kapitalverkehrsfreiheit zuwider.
Es fragt sich aber, welcher Staat sie beseitigen müsste. Der BFH hält es nicht für ausgemacht, dass dies Deutschland ist. Ihm schwebt vielmehr vor, nach der Sachgerechtigkeit der verschiedenen Anknüpfungen zu entscheiden. Da der Gläubiger der Inhaber des Vermögens ist, dürfte die Anknüpfung an den Gläubiger näher liegen als diejenige an den Schuldner. Wo das Geld letztlich arbeitet -- d.h. wem die Bank das Geld zur Verfügung gestellt hat -- weiß ohnehin niemand.
Der BFH hat auch noch einmal die Frage nach dem nationalen Steuervorbehalt aufgeworfen. Angesichts der Tatsache, dass es zwei potenziell Verpflichtete gibt, die Doppelbelastung zu vermeiden, dürfte die Anwendung des Art. 58 Abs. 3 EG/Art. 73d Abs. 3 EGV noch nicht von vornherein feststehen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 16.01.2008, II R 45/05