Leitsatz
Der Antrag auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung kann auch innerhalb der Zweijahresfrist abgelehnt werden, wenn ein auf geschätzten Zahlen beruhender Einkommensteuerbescheid für den betreffenden Veranlagungszeitraum bereits erlassen und bestandskräftig geworden ist.
Sachverhalt
Im Juli 1999 erhielt das Finanzamt eine Kontrollmitteilung, wonach der Kläger für die Vermietung einer Ferienwohnung im Jahr 1998 Einnahmen erzielte. Nachdem trotz Aufforderung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1999 keine Erklärung abgegeben wurde, schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 12.10.2001 einen Einkommensteuerbescheid. Hiergegen legten die zusammenveranlagten Eheleute am 27.11.2001 Einspruch ein. Im Laufe des Einspruchsverfahrens reichten sie die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ein. Darin erklärten sie negative Vermietungseinkünfte in beachtlicher Höhe. Auf den Hinweis des Beklagten, dass die Einsprüche verfristet seien, nahmen die Eheleute die Einsprüche zurück. Am 17. April 2002 beantragte der Kläger, die im Rahmen des Einspruchsverfahrens eingereichte Steuererklärung als Antrag auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung zu behandeln. Den Antrag auf Durchführung der Veranlagung lehnte das Finanzamt ab. Der form- und fristgerechte Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Hiergegen richtet sich die erhobene Klage.
Entscheidung
Die als Verpflichtungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Nach Ansicht des erkennenden Senats sei die Ablehnung der Antragsveranlagung rechtmäßig gewesen, denn der Kläger habe keinen Anspruch auf Durchführung der Antragsveranlagung. Die Veranlagung zur Einkommensteuer werde auf Antrag durchgeführt, wenn das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit bestehe, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden sei und keine Veranlagungspflicht bestehe (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 EStG). Der Kläger habe den Antrag bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG). Diese Frist habe der Kläger zwar eingehalten, jedoch stehe der Antragsveranlagung der bestandskräftige Bescheid für das Streitjahr vom 12. Oktober 2001 entgegen. Mangels Steuererklärung sei der Beklagte im Schätzungsbescheid vom 12. Oktober 2001 von positiven Vermietungseinkünften des Klägers und damit von einer Amtsveranlagung ausgegangen. Erst aus der nachträglich vorgelegten Steuererklärung habe sich ergeben, dass der Kläger negative Vermietungseinkünfte im Streitjahr erwirtschaftet habe. Der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, den Schätzungsbescheid rechtzeitig anzufechten und zur Begründung seines Einspruchs den Antrag auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung durch Einreichung der Steuererklärung zu stellen. Hinzu komme, dass der Kläger zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert worden sei, ohne dass er auf diese Aufforderung reagiert habe. Bereits in diesem frühen Stadium hätte der Kläger erklären können, dass eine Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung nicht bestehe, weil die Voraussetzungen für eine Antragsveranlagung gegeben seien. Ein Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen einer Antragsveranlagung erfülle, habe keinen Anspruch auf einen absoluten Schutz seines durch diese Vorschrift eingeräumten Wahlrechts. Vielmehr müsse er sich bei einem Verstoß wie jeder andere Steuerpflichtige auch, mit den Rechtsbehelfen zur Wehr setzen, die im Verfahrensrecht vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellt worden seien.
Hinweis
Der erkennende Senat hielt es für erforderlich, im Streitfall die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO). Die Revision wurde auch eingelegt (AZ beim BFH: VI R 17/05). Für die Einkommensteuerveranlagung von Arbeitnehmern hat der Streitfall eine über den Einzelfall hinausgehende, allgemeine Bedeutung. Dieser Einschätzung ist aus der Sicht der Beratungspraxis wohl zuzustimmen. Ist ein Steuerbescheid bestandskräftig geworden, kann dessen Bestandskraft grundsätzlich nur durchbrochen werden, wenn eine Korrekturvorschrift eingreift. Die Zweijahresfrist bei Antragsveranlagung ist keine verfahrensrechtliche Bestimmung zur Korrektur von bestandskräftigen Steuerbescheiden.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Urteil vom 14.12.2004, 2 K 218/02