Leitsatz
Aufwendungen eines gleichgeschlechtlichen (Ehe‐) Paares im Zusammenhang mit einer Ersatzmutterschaft sind nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 33 EStG, § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 7 ESchG, Art. 1 Abs. 1, Abs. 3, Art. 6 GG
Sachverhalt
Die Kläger sind zwei Männer, die im Streitjahr (2017) die Ehe geschlossen haben und zur ESt zusammen veranlagt wurden. In ihrer ESt-Erklärung für das Streitjahr machten sie Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Ersatzmutterschaft als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Ersatzmutterschaftsverhältnis wurde in den USA begründet und durchgeführt. Die Schwangerschaft der Ersatzmutter wurde durch eine künstliche Befruchtung herbeigeführt. Die Eizelle stammte von einer anderen in den USA lebenden Frau. Die Samenzellen stammten vom Kläger zu 2. Aufgrund der künstlichen Befruchtung trug die Ersatzmutter ein Kind aus, welches seitdem bei den Klägern als Eltern in Deutschland lebt. Das FA ließ die geltend gemachten Aufwendungen nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu. Zur Begründung führte es aus, dass "die Behandlung einer Leihmutterschaft gemäß § 1 Abs. 1 ESchG in Deutschland verboten" sei. Die hiergegen – mit Zustimmung des FA – erhobene (Sprung-)Klage wies das FG ab (FG Münster, Urteil vom 7.10.2021, 10 K 3172/19 E, Haufe-Index 15025412, EFG 2022, 249).
Entscheidung
Die Revision der Kläger hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten und damit Kosten, die einem objektiv (anomalen) regelwidrigen Körperzustand geschuldet sind, ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel erbracht werden, die Krankheit erträglich zu machen (BFH, Urteil vom 2.9.2010, VI R 11/09, BFH/NV 2011, 125 und BFH, Urteil vom 14.11.2013, VI R 20/12, BFH/NV 2014, 757).
2. Nach diesen Grundsätzen stellen die Kosten der Kläger im Zusammenhang mit der Ersatzmutterschaft keine krankheitsbedingten Aufwendungen dar. Denn die ungewollte Kinderlosigkeit der Kläger gründet nicht auf einem regelwidrigen Zustand eines oder beider Partner, sondern auf den biologischen Grenzen der Fortpflanzung.
3. Der Vortrag, beim Kläger zu 1. habe sich unter anderem aufgrund seines starken (unerfüllten) Kinderwunsches eine beginnende psychische Erkrankung abgezeichnet, welche durch eine Ersatzmutterschaft unterbunden/behoben werden könne, erlaubt ebenfalls nicht, die Kosten als zwangsläufig entstandene Krankheitskosten nach § 33 EStG zu berücksichtigen. Denn ein im Wege der Ersatzmutterschaft reproduziertes Kind kann nicht als eine medizinisch indizierte Heilbehandlung zur Vermeidung, Linderung oder Beseitigung einer seelischen Erkrankung angesehen werden, auch wenn diese auf einer ungewollten Kinderlosigkeit gründet.
4. Die geltend gemachten Aufwendungen sind den Klägern auch nicht aus anderen Gründen zwangsläufig erwachsen. Der Entschluss, eine Ersatzmutterschaft zu begründen, beruht nicht auf einer rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Zwangslage, sondern auf der freiwilligen Entscheidung, ein Kind zu haben.
5. Als außergewöhnliche Belastungen kommen zudem nur solche Aufwendungen in Betracht, die einen Bereich der Lebensführung betreffen, welcher der individuellen Gestaltung des Steuerpflichtigen entzogen ist (z.B. BFH, Urteil vom 10.3.2015 VI R 60/11, BFH/NV 2015, 1172BStBl II 2015, 695, Rz. 16). Dies gilt auch dann, wenn die Aufwendungen einen grundrechtlich geschützten Bereich – wie hier die Verwirklichung des Kinderwunsches (Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG) – betreffen (z.B. BFH, Urteil vom 10.3.2015, VI R 60/11, BFH/NV 2015, 1172).
6. Im Übrigen ist weitere Voraussetzung für den Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG, dass die den Aufwendungen zugrunde liegenden Maßnahmen im Einklang mit der innerstaatlichen Rechtsordnung stehen (vgl. BFH, Urteil vom 17.5.2017, VI R 34/15, BFH/NV 2017, 1371 und BFH, Urteil vom 5.10.2017, VI R 2/17, BFH/NV 2018, 194).
7. Auch deshalb kommt eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen der Kläger nicht in Betracht. Denn die im Streitfall geltend gemachten Kosten sind durch eine medizinische Behandlung entstanden, die jedenfalls nicht im Einklang mit den Regelungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 7 ESchG steht. Zum einen handelte es sich um eine Ersatzmutterschaft, bei der die Ersatzmutter das von ihr ausgetragene Kind nach der Geburt den Klägern überlassen sollte und überlassen hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG). Zum anderen wurde die künstliche Befruchtung bei der Ersatzmutter unter Verwendung einer Eizelle durchgeführt, welche von einer anderen Frau stammte (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG).
8. Zu einer anderen Bewertung zwingt auch nicht die Einführung der gleichgeschlechtlic...