Leitsatz

Es liegt keine Betriebsaufgabe i. S. des § 16 Abs. 3 EStG vor, wenn ein selbstständig tätiger Erfinder sein Einzelunternehmen nach Verlegung seines Wohnsitzes nach Belgien in Belgien unverändert weiterführt. Die Annahme einer Betriebsaufgabe mit Sofortbesteuerung ist vor dem Hintergrund, dass im reinen Inlandsfall eine Besteuerung nicht erfolgt wäre, mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar.

 

Sachverhalt

Ein Steuerpflichtiger erzielte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als Erfinder. Gleichzeitig war er Gesellschafter von zwei GmbHs. Seine Einkünfte als Erfinder erzielte er dadurch, dass er seine in seinem Einzelunternehmen gemachten Erfindungen u. a. diesen beiden Gesellschaften sowie anderen Unternehmen zur Nutzung überließ. Am 9.8.1995 verlegte der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz nach Belgien, wo er sein Einzelunternehmen unverändert weiterführte. Im Rahmen einer u. a. für 1995 durchgeführten Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, der Umzug des Steuerpflichtigen nach Belgien habe zu einer Aufgabe seines Einzelunternehmens geführt. Dementsprechend wurde beim Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn bisher durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt hatte, ein steuerbegünstigter Betriebsaufgabegewinn in Höhe von umgerechnet 25.564 EUR festgestellt.

 

Entscheidung

Das FG gibt dem Steuerpflichtigen Recht. Dieser hat seinen Betrieb nicht eingestellt, sondern unverändert in Belgien weitergeführt. Allerdings führt nach der Rechtsprechung des BFH auch die Wohnsitzverlegung eines Freiberuflers ins Ausland zu einer Betriebsaufgabe gem. § 18 Abs. 3 i. V. mit § 16 Abs. 3 EStG, wenn durch die Wohnsitzverlegung nach den Bestimmungen des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens - dies ist nach den Vorschriften des DBA Belgien unstreitig der Fall - das inländische Besteuerungsrecht entfällt. Das FG sieht diese Rechtsprechung bei einer Verlegung des Betriebs in einen anderen EU-Staat, insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidungen des EuGH v. 11.3.2004 (Rs. C-9/02, DStR 2004 S. 551), und v. 7.9.2006 (Rs. C-470/04, DStR 2006 S. 1691) als einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit und damit als nicht europarechtskonform an.

 

Hinweis

Falls Finanzämter in einschlägigen Fällen einen Betriebsaufgabegewinn versteuern wollen, sollten die Bescheide unter Hinweis auf das Urteil des FG angefochten werden.

 

Link zur Entscheidung

FG Köln, Urteil vom 18.03.2008, 1 K 4110/04

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