Leitsatz
1. Eine noch nicht vollbeendete Personengesellschaft ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO selbst dann für einen ausgeschiedenen Gesellschafter klagebefugt, wenn der Rechtsstreit Feststellungen betrifft, die allein den ausgeschiedenen Gesellschafter persönlich angehen.
2. § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG greift nicht ein, wenn zeitgleich mit der Veräußerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage des Sonderbetriebsvermögens der verbliebene Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf eine andere Person übertragen wird.
Normenkette
§ 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 5, § 16 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; § 48 Abs. 1 Nrn. 1, 3, 5, § 60 Abs. 3, § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO, § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO
Sachverhalt
Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung waren Frau C mit 75 % und D mit 25 % an der Besitz-GbR und zu 75,2 % bzw. 24,8 % an der Betriebs-GmbH beteiligt. Das von der GbR vermietete Betriebsgrundstück stand ebenfalls im Miteigentum von C (75 %) und D (25 %). Mit notariellem Vertrag vom 13.12.2013 trat C ihren Miteigentumsanteil an dem Grundstück und 30 Prozentpunkte des GmbH-Anteils im Wege vorweggenommener Erbfolge an ihren Sohn F ab. Die restlichen GmbH-Anteile veräußerte C mit an demselben Tag vor einem anderen Notar geschlossenen Vertrag an D (23,2 %) und G (22 %). In dem ersten Vertrag war bestimmt, dass dieser unter der aufschiebenden Bedingung stehe, dass C die restlichen GmbH-Anteile an D und G verkaufe und dass der Kaufpreis gezahlt sei. Im zweiten Vertrag heißt es, dass er nur bei Eintritt der Bedingung des ersten Vertrags wirksam werde.
Das FA war im Ergebnis der Auffassung, C habe ihren Mitunternehmeranteil durch diese Vorgänge aufgegeben. Es stellte im Gewinnfeststellungsbescheid 2014 einen Veräußerungsgewinn für C fest, der sich aus dem Gewinn aus der GmbH-Anteilsveräußerung an D und G sowie aus den stillen Reserven in den restlichen GmbH-Anteilen und im Miteigentumsanteil an dem Grundstück zusammensetzte.
Mit Einspruch und anschließender Klage machte die GbR geltend, die Übertragung auf F habe nicht zur Aufdeckung stiller Reserven geführt, sondern sei nach § 6 Abs. 3 EStG zum Buchwert erfolgt. Das FG gab der Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 19.4.2018, 15 K 1187/17 F, Haufe-Index 11781781, EFG 2018, 1092).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und verwies das Verfahren an das FG zurück. Zwar sei das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage der GbR wegen des Veräußerungsgewinns der ausgeschiedenen Gesellschafterin C zulässig sei. Die ausgeschiedene Ge sellschafterin sei aber auch selbst klagebefugt und müsse zum Verfahren der Gesellschaft beigeladen werden. Dies habe das FG nachzuholen. Außerdem müssten noch tatsächliche Feststellungen zum Zeitpunkt der Übertragungen getroffen werden. Die unentgeltliche Übertragung auf den Sohn könne nicht zum Buchwert stattgefunden haben, wenn die Veräußerung der restlichen GmbH-Anteile zeitgleich erfolgt sei. Geklärt werden müsse auch noch, was mit dem Anteil der Frau C an der Besitz-GbR geschehen sei.
Hinweis
1. Das Urteil klärt eine noch streitige Frage zum Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 EStG bei zeitgleichen Übertragungen an verschiedene Empfänger (dazu 2.). Außerdem bestätigt das Urteil die bisherige Rechtspraxis zur Klagebefugnis der Personengesellschaft in Bezug auf Streitfragen betreffend einen ausgeschiedenen Gesellschafter (dazu 3.).
2. a) Der viele Jahre dauernde Streit zwischen Rechtsprechung und Finanzverwaltung zur zeitraum- oder zeitpunktbezogenen Betrachtung bei unentgeltlichen Übertragungen von Sachgesamtheiten nach § 6 Abs. 3 EStG ist durch das BMF-Schreiben vom 20.11.2019 (BStBl I 2019, 1291) dahingehend geklärt, dass der zeitpunktbezogenen Betrachtung zu folgen ist.
b) Unsicherheit bestand aber noch aufgrund nicht eindeutiger Formulierungen des BFH, ob dabei auf den Tag der Übertragung oder die (juristische) Sekunde der Übertragung abzustellen ist. Diese Unsicherheit hat der BFH jetzt beseitigt und klargestellt, dass es auf den genauen Zeitpunkt, also die juristische Sekunde ankommt. Dass zwei Übertragungen zu derselben juristischen Sekunde stattfinden, ist nicht fernliegend. Ungewöhnlich ist es aber, dass dies aufgrund von zwei Verträgen verschiedener Notare geschieht, wie im Urteilsfall.
c) Grundsätzlich ist für die Übertragung der ganzen Sachgesamtheit nach § 6 Abs. 3 EStG erforderlich, dass alle in der Sekunde des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums zu ihr gehörenden wesentlichen Betriebsgrundlagen auf denselben Empfänger übertragen werden. Übertragungen von Wirtschaftsgütern auf andere Personen sind schädlich und haben zur Folge, dass der Vorgang als Aufgabe des Mitunternehmeranteils anzusehen ist. Damit werden alle stillen Reserven aufgedeckt, und zwar auch diejenigen, die in den unentgeltlich übertragenen Wirtschaftsgütern gebunden sind.
Eine Ausnahme von der Schädlichkeit zeitgleicher Übertragung auf Dritte gilt nur, wenn jene Übertragung ihrerseits privilegiert ist und für sich genommen zu...