Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
* 1. Entsteht einem Kind ausbildungsbedingter Mehrbedarf und erhält es gleichzeitig Geldmittel, die zur Abgeltung dieses Mehrbedarfs geeignet sind, so kommt entweder die Berücksichtigung des Mehrbedarfs im Rahmen des Werbungskostenabzugs oder die Nichtberücksichtigung der zugeflossenen Mittel gem. § 32 Abs. 4 Satz 3 (jetzt Satz 5) EStG in Betracht, nicht aber beides.
2. Eine Mobilitätshilfe, die der Förderung der betrieblichen Berufsausbildung dient, gehört zu den Bezügen eines Kindes.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 32 Abs. 4 EStG
Sachverhalt
Der Sohn des Klägers begann 1996 eine Ausbildung als Industriemechaniker. Seine Ausbildungsvergütung betrug im Streitjahr 1998 insgesamt 18238 DM. Seine Werbungskosten setzten sich hauptsächlich zusammen aus Aufwendungen für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte und für doppelte Haushaltsführung. Außerdem erhielt er vom Land N eine Mobilitätshilfe in Höhe von 4200 DM.
Die Mobilitätshilfe diente der Förderung der betrieblichen Ausbildung, weil der Arbeitsstellenmarkt in N von starken regionalen Unterschieden geprägt war. Sie sollte die bei einer Ausbildung an einem weit entfernten Ausbildungsort entstandenen Mehraufwendungen ausgleichen. Der Beklagte rechnete sie als Bezüge den Einnahmen des Streitjahres hinzu und forderte das zunächst auch für 1998 gewährte Kindergeld zurück.
Entscheidung
FG (EFG 2001, 81) und BFH bestätigten diese Entscheidung. Es könne offen bleiben, ob die Mobilitätshilfe für besondere Ausbildungszwecke bezahlt worden sei. Jedenfalls sei sie für Mehraufwendungen gewährt worden, die bereits im Rahmen des Werbungskostenabzugs bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt seien. Damit seien die ausbildungsbedingten Mehraufwendungen bereits erfasst. Ein doppelter Abzug der Aufwendungen komme nicht in Betracht.
Hinweis
Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird Kindergeld für ein Kind nur gewährt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als dem jeweiligen Jahresgrenzbetrag erhält (Grundbedarf). Dabei sind jedoch nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG Bezüge und Einkünfte, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind (ausbildungsbedingter Mehrbedarf) außer Betracht zu lassen. Zum ausbildungsbedingten Mehrbedarf gehören solche im Einzelnen nachgewiesenen Aufwendungen, die wegen der Ausbildung zu den Lebenshaltungskosten hinzukommen.
Die Höhe der ausbildungsbedingten Mehraufwendungen orientiert sich dem Grund und der Höhe nach an den Beträgen, die im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses als Werbungskosten zu berücksichtigen sind (vgl. dazu BFH, Urteil vom 25.7.2001, VI R 77/00, BFH-PR 2001, 379). Dieser Grundsatz führt jedoch zu einer Anspruchskonkurrenz dann, wenn der ausbildungsbedingte Mehrbedarf bereits im Rahmen einer Einkunftsart – nicht notwendig eines Ausbildungsdienstverhältnisses – als Werbungskosten geltend gemacht werden kann. Hier muss entschieden werden, wo die Aufwendungen abzuziehen sind.
Der BFH hat sich für den Vorrang des Abzugs als Werbungskosten bei den Einkünften entschieden, bei denen steuerpflichtige Einnahmen anfallen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Das gilt insbesondere für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte bzw. zum Ausbildungsort und für Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung. Stehen die Aufwendungen nicht mit steuerpflichtigen Einnahmen in Zusammenhang, sind sie von der Summe der Einkünfte und Bezüge i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abzuziehen. Sind in dieser Summe Bezüge enthalten, ist zu beachten, dass diese noch um die Kostenpauschale in Höhe von 360 DM gekürzt werden können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.7.2002, VIII R 63/00