Leitsatz
Die in § 4 Abs. 6 Satz 4 UmwStG 2006 angeordnete beschränkte Berücksichtigung des Übernahmeverlustes ist auch in den Fällen verfassungsgemäß, in denen der Übernahmeverlust vollständig außer Ansatz bleibt, weil keine Bezüge i.S.d. § 7 UmwStG 2006 angefallen sind.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Sätze 1 und 2, § 17, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 3, § 4 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 6 Sätze 4 bis 6, § 5 Abs. 2, § 7, § 9 Satz 1 UmwStG 2006, Art. 3 Abs. 1 GG, § 194 Abs. 1 Nr. 6, § 207 UmwG, § 139 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 FGO
Sachverhalt
Der Kläger hatte im Jahr 2007 40 % der Stammkapitalanteile einer GmbH zu einem Preis von 180.000 EUR gekauft und bereits im Kaufvertrag einer anschließenden formwechselnden Umwandlung der GmbH in eine KG zugestimmt. Nach der Umwandlung hielt der Kläger 40 % der KG mit einer Kommanditeinlage von 10.000 EUR. Ein Jahr später (2008) musste der Kläger die KG auf Betreiben der Mitgesellschafter verlassen und verkaufte den Gesellschaftsanteil an den ehemaligen Verkäufer für wiederum 180.000 EUR.
Der Kläger begehrte in erster Linie, im Gewinnfeststellungsbescheid der KG für 2007 einen Übernahmeverlust von 170.000 EUR zu erfassen. Hilfsweise machte er geltend, dass der Gewinn aus der Veräußerung des Kommanditanteils im Jahr 2008 um 170.000 EUR zu mindern sei. Das FA lehnte beide Anträge ab und wurde darin vom FG bestätigt (FG Nürnberg, Urteil vom 18.9.2013, 3 K 1205/12, 3 K 347/13).
Entscheidung
Auch der BFH hielt beide Anträge für unbegründet und wies die Revision des Klägers zurück. Der Übernahmeverlust bleibe nach § 4 Abs. 6 Satz 4 UmwStG außer Ansatz. Die Vorschrift sei nicht einschränkend auszulegen, weil die Nichtberücksichtigung des Verlusts auch in einem Fall wie dem des Klägers systemkonform beabsichtigt und nicht verfassungswidrig sei. Es komme auch nicht in Betracht, die Anschaffungskosten der aus dem Formwechsel hervorgegangenen Beteiligung an der KG entsprechend zu erhöhen.
Hinweis
1. Der vom Gesetz angeordnete Untergang des aus stillen Reserven resultierenden Übernahmeverlusts aus der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nach § 4 Abs. 6 Satz 4 UmwStG steht in dem Verdacht, eine verfassungswidrige Verletzung des objektiven Nettoprinzips zu sein. Der hier entschiedene Fall scheint den Verdacht zu bestätigen, denn der Gesellschafter, der seinen vor der Umwandlung gekauften Anteil ein Jahr nach der Umwandlung zu demselben Preis (180.000 EUR) zurückverkauft, kann seine Anschaffungskosten für den Anteil nur in Höhe des erhaltenen Kapitalkontos bei der Personengesellschaft (10.000 EUR) von dem Veräußerungserlös abziehen. Dadurch kommt es zu einem Veräußerungsgewinn bei dem "Rückverkauf".
2. Dass damit das objektive Nettoprinzip verletzt wird, ist evident und wird vom BFH nicht in Abrede gestellt.
a) Allerdings sieht der BFH die darin liegende Verletzung des Gleichheitssatzes als gerechtfertigt an. Denn das Verlustabzugsverbot ist systematisch notwendig, um eine Einmalbesteuerung der stillen Reserven in der umgewandelten Kapitalgesellschaft zu sichern. Könnten die durch den Verkauf des Kapitalgesellschaftsanteils aufgedeckten stillen Reserven vom Erwerber in Gestalt von Anschaffungskosten abgeschrieben oder von einem erneuten Verkaufserlös nach der Umwandlung abgezogen werden, würden die stillen Reserven von einem Erwerber des Anteils nicht versteuert und für den Veräußerer bliebe es bei der teilweisen Steuerbefreiung des Erlöses aus dem Verkauf der Beteiligung. Es würde also ein Verkauf des Anteils ausreichen, um eine Einmalbesteuerung der stillen Reserven zu umgehen. Wenn das deshalb geschaffene Verlustabzugsverbot umgekehrt dann in manchen Fällen zu einer "Eineinhalbmalbesteuerung" führt, steht dies nach Meinung des BFH einer Rechtfertigung des Gleichheitssatzverstoßes nicht entgegen, weil es kein milderes geeignetes Mittel zur Sicherstellung einer Einmalbesteuerung gibt.
3. Die negativen Folgen aus dem Wegfall des Übernahmeverlusts lassen sich allerdings vermeiden. Denn der Verlust beruht auf der Ausübung des Wahlrechts zur Buchwertfortführung. Und hierauf können die Gesellschafter entweder Einfluss nehmen oder aber zumindest nach § 207 UmwGwidersprechen und gegen eine zur Besteuerung im Teileinkünfteverfahren führende Abfindung ausscheiden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.10.2015 – IV R 37/13