Leitsatz
1. Die zum Zeitpunkt des Erlasses eines Feststellungsbescheids über das steuerliche Einlagekonto fehlende Steuerbescheinigung über die Ausschüttung aus einer Kapitalrücklage führt nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG zu einer Verwendungsfestschreibung auf Null €; die Norm ist keiner einschränkenden Auslegung zugänglich.
2. Gegen die vom Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung des § 27 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 KStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Bestätigung des Senatsurteils vom 11. Februar 2015, I R 3/14, BFHE 249, 448, BStBl II 2015, 816).
Normenkette
§ 27 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 KStG
Sachverhalt
Anteilseignerin der Klägerin (einer GmbH mit dem Gegenstand Versorgungsbetriebe und Bäder) ist die Stadt A. Am 27.7.2010 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin eine Ausschüttung aus der Kapitalrücklage. Die Klägerin zahlte diesen Betrag am 28.7.2010 an A aus, ohne eine Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG zu erstellen.
Zwar ergab sich aus den Bilanzerläuterungen, dass eine Ausschüttung erfolgt sein musste. Die am 12.12.2011 beim FA eingegangene Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos sowie die mit der Körperschaftsteuererklärung für 2010 eingereichte Anlage WA enthielten aber keine entsprechenden Hinweise. Das FA erließ einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2010 nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) stand.
Am 6.12.2012 ging beim FA eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos ein, in der die Höhe des steuerlichen Einlagekontos (nach Verminderung um im Wirtschaftsjahr erbrachte Leistungen) nunmehr mit ... EUR ausgewiesen und die Änderung des Feststellungsbescheids gemäß § 164 Abs. 2 AO beantragt wurde. Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 28.3.2013 ab und hob den Vorbehalt der Nachprüfung mit weiterem Bescheid vom 25.6.2013 auf. Nachdem die Klägerin ihren Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.3.2013 zurückgenommen hatte, erließ das FA zu weiteren Einsprüchen eine ablehnende Einspruchsentscheidung; eine Korrektur in Form einer erstmaligen Bescheinigung sei ausgeschlossen. Die dagegen erhobene Klage war erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.4.2016, 6 K 2703/15, Haufe-Index 9783550, EFG 2016, 1994).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Die Entscheidungsform (Beschluss i.S.d. § 126a FGO) gibt zu erkennen, dass hier alle beteiligten Richter einig waren – die Streitfrage war durch frühere Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 11.2.2015, I R 3/14, BFH/NV 2015, 1204, BStBl II 2015, 816; dazu Gosch, BFH/PR 2015, 301) bereits weitgehend geklärt.
Dies ändert nichts an der Praxisrelevanz der Konstellation: Es drohen weitreichende belastende Konsequenzen durch unvollständige Deklaration. Denn die zum Zeitpunkt des Erlasses des entsprechenden Feststellungsbescheids über das steuerliche Einlagekonto fehlende Steuerbescheinigung über die Ausschüttung aus der Kapitalrücklage führt nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG zu einer Verwendungsfestschreibung auf null EUR, ohne dass dem durch eine einschränkende Auslegung "beizukommen" wäre.
Folgen: Es liegt aus der Sicht des Anteilseigners keine steuerfreie Einlagenrückgewähr vor und es droht eine Haftung für Kapitalertragsteuer bei der ausschüttenden Kapitalgesellschaft.
2. Verfahrensrechtlich: Der BFH klärt, dass eine Beschwer auch in dem Fall gegeben ist, dass eine Kapitalgesellschaft die Verminderung des festgestellten Bestandes des steuerlichen Einlagekontos begehrt. Denn eine zu hohe Feststellung des Einlagekontos setzt sie in ihrer Eigenschaft als Schuldnerin der Leistungen (Auskehrungen) dem Risiko der Haftungsinanspruchnahme aus.
3. Die Bescheinigung: Nach § 27 Abs. 3 KStG hat eine Kapitalgesellschaft bei Abgängen aus dem steuerlichen Einlagekonto gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG nach amtlichem Muster ihrem Anteilseigner als Adressaten der Erklärung namentlich und unter Angabe seiner Wohnanschrift die Höhe sowie den Zahlungstag der Leistungen, die das steuerliche Einlagekonto gemindert haben, zu bescheinigen. Wird dem nicht oder nur unzutreffend nachgekommen, unterscheidet § 27 Abs. 5 KStG danach, ob die Kürzung des Einlagebetrags überhöht (folgend a), zu niedrig (folgend b) oder – so der Streitfall – überhaupt nicht bescheinigt worden ist (folgend c).
a) § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG eröffnet zwar die Möglichkeit, die Steuerbescheinigung zu berichtigen; erweist sich dies jedoch (z.B.) bei Publikumsgesellschaften als nicht praxisgerecht, sieht § 27 Abs. 3 Satz 4 KStG eine verschuldensunabhängige Haftung der Kapitalgesellschaft für die (aufgrund der überhöht bescheinigten Minderung des Einlagekontos) zu Unrecht nicht einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer vor. Folge: Auch im Falle der Haftungsinanspruchnahme ist die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos anzupassen (§ 27 Abs. 3 Satz 6 KStG).
b) § 27 Abs. 5 Satz 1 KStG schreibt die Verwendung de...