Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Hat ein Erblasser mehrere Testamente errichtet, in denen er jeweils verschiedene Personen als Alleinerben eingesetzt hat, und ist die Wirksamkeit des zuletzt errichteten Testaments wegen behaupteter Testierunfähigkeit des Erblassers zwischen den potenziellen Erben streitig, ist die Abfindung, die der weichende Erbprätendent aufgrund eines Prozessvergleichs vom zuletzt eingesetzten Alleinerben dafür erhält, dass er die Erbenstellung des Alleinerben nicht mehr bestreitet, kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 3 ErbStG, § 1922, § 2147 BGB
Sachverhalt
Der Kläger ist der Neffe der 1913 geborenen und im April 2004 verstorbenen Erblasserin (E). In ihren Testamenten vom 18.04.1986 und vom 25.01.1997 hatte sie jeweils den Kläger als Alleinerben eingesetzt und Vermächtnisse zugunsten anderer Personen verfügt. Am 16.06.2002 verfasste sie ein weiteres eigenhändiges Testament, in dem sie ihr Sparguthaben an ihre Freundin (N) bzw. deren Tochter (K) vermachte. N war zum Zeitpunkt des Ablebens der E bereits vorverstorben.
Der Kläger beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben nach E ausweist. Er war der Auffassung, das Testament vom 16.06.2002 sei unwirksam, weil E wegen Altersdemenz nicht mehr testierfähig gewesen sei. Das AG wies den Antrag zurück und führte zur Begründung aus, E habe das zugunsten des Klägers im Jahr 1997 errichtete Testament durch das spätere Testament vom 16.06.2002 wirksam widerrufen. E sei zu diesem Zeitpunkt noch testierfähig gewesen. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass sie bereits im Juni 2002 an Altersdemenz gelitten habe. Das Sparguthaben sei ihr wesentliches Vermögen gewesen, sodass in dem Testament vom 16.06.2002 eine Erbeinsetzung zugunsten der N und der K zu sehen sei.
Der vor dem LG fortgeführte Rechtsstreit zwischen dem Kläger und K endete mit einem Vergleich. K verpflichtete sich, an den Kläger 45 000 EUR zu zahlen. Im Gegenzug nahm der Kläger seine Beschwerde gegen die Entscheidung des AG zurück und verpflichtete sich seinerseits, keinen neuen Erbscheinsantrag zu stellen sowie keine Einwände gegen die Wirksamkeit des Testaments vom 16.06.2002 und die sich daraus ergebende Erbenstellung der K zu erheben. Am 21.11.2006 wurde der K ein Erbschein erteilt, der sie als Alleinerbin auswies.
Das FA erfasste die Abfindungszahlung als erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb und setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer i.H.v. 7 155 EUR fest.
Einspruch und Klage dagegen blieben ohne Erfolg. Das FG (FG Münster vom 28.05.2009, 3 K 2617/07 Erb, Haufe-Index 2197547, EFG 2009, 1479) ging davon aus, dass der Kläger die Abfindung durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erworben habe. Diese Vorschrift nenne zwar nicht ausdrücklich die Abfindungszahlung an einen weichenden potenziellen Erben. Es sei jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Erbvergleich der Besteuerung zugrunde zu legen.
Entscheidung
Das sah jetzt der BFH anders und hob aufgrund der begründeten Revision des Klägers Vorentscheidung und Erbschaftsteuerbescheide auf.
Hinweis
1. Der Erbschaftsteuer unterliegt der Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). § 3 ErbStG zählt dabei diejenigen Vorgänge abschließend auf, die als Erwerb von Todes wegen in Betracht kommen. Dort nicht genannte Vorgänge unterliegen also selbst dann nicht der Erbschaftsteuer, wenn sie einen Zusammenhang zum Erbanfall aufweisen. Eine analoge Anwendung des § 3 ErbStG ist danach ausgeschlossen.
2. Die im Streitfall anzutreffende Abfindung, die der Kläger aufgrund des mit der Alleinerbin K geschlossenen Vergleichs zur Beendigung des Rechtsstreits erhalten hatte, unterfällt keinem der in § 3 ErbStG genannten Vorgänge.
a) |
Ein Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 1922 BGB scheidet aus, weil der Kläger nach dem zuletzt errichteten Testament, welches ja nach dem Vergleich in seiner Wirksamkeit nicht mehr angegriffen wurde, weder gesetzlicher noch testamentarisch eingesetzter Erbe der E geworden ist. Die Abfindung beruht auch nicht auf einem Vermächtnis der E nach § 2147 BGB, weil E im Testament vom 16.06.2002 nicht bestimmt hatte, dass der Kläger von ihrem Sparguthaben 45 000 EUR erhalten sollte. |
b) |
Nichts anderes folgt aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Erbvergleich. Die Rechtsprechung geht zum Erbvergleich davon aus, dass das Ergebnis eines ernsthaft gemeinten Vergleichs, der die gütliche Regelung streitiger Erbverhältnisse zum Ziel hat, der Erbschaftsbesteuerung zugrunde zu legen ist. Der BFH stellt jetzt allerdings klar, dass es sich insoweit um eine "nicht weiter verallgemeinerungsfähige Ausnahme" vom Grundsatz handelt, dass weder die Miterben noch sonst am Nachlass beteiligte Personen berechtigt sind, den Kreis der steuerpflichtigen Personen oder den Umfang der steuerpflichtigen Bereicherung nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung eigenmächtig neu zu bestimmen. Da ein Vergleich i.S.d. § 779 BGB nur schuldrechtlicher Natur... |