Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
Die Voraussetzungen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen liegen nicht vor, wenn der (bisherige) Pächter einer Gaststätte lediglich ihm gehörende Teile des Inventars einer Gaststätte (hier Kücheneinrichtung nebst Geschirr und Küchenartikeln) veräußert und der Erwerber den Gaststättenbetrieb sowie das übrige Inventar durch einen weiteren Vertrag von einem Dritten pachtet.
Normenkette
§ 1 Abs. 1a, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb ab Januar 2006 eine Gaststätte in einem Schützenhaus. Eigentümerin des Schützenhauses ist eine Schützenbruderschaft. Diese hatte die Räume – eine Gaststätte sowie Säle –, einen Biergarten und das Inventar (nebst angrenzender Wohnung) zunächst ab dem 1.3.2005 für die Dauer von zehn Jahren an Herrn A verpachtet. Die Schützenbruderschaft und A hoben nach neun Monaten den Pachtvertrag einvernehmlich zum 31. Dezember 2005 auf.
Mit Vertrag vom 17.12.2005 verpachtete die Schützenbruderschaft sodann die Räume ab dem 1.1.2006 an die Klägerin unter der Auflage, dort eine Gaststätte zu führen. Das außerdem von der Schützenbruderschaft – entsprechend deren Vertragsverhältnis mit A – der Klägerin verpachtete Inventar des Schützenhauses umfasste die vollständige Inneneinrichtung der Gaststätte und der Säle wie Bestuhlung, Thekenanlagen, Lampen etc. mit Ausnahme der Kücheneinrichtung.
Am selben Tag schlossen die Klägerin und A eine – auch von dem Geschäftsführer der Schützenbruderschaft unterschriebene – "Übernahmevereinbarung", in der die Klägerin u.a. (weiteres) Inventar i.H.v. 50.000 EUR zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer von A übernahm.
Die Klägerin machte in ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung für 2006 die in der von A am 1.1.2006 erteilten Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer (8.000 EUR) als Vorsteuer geltend. Das FA versagte den Vorsteuerabzug, weil die Klägerin den Gaststättenbetrieb im Rahmen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG erworben habe und die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer nicht – wie nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erforderlich – von A gesetzlich geschuldet werde.
Dem folgte das FG. Bei der gebotenen "Zusammenschau" des Erwerbs der Kücheneinrichtung sowie sonstiger Geschirr- und Küchenartikel von A und der von der Schützenbruderschaft gepachteten Räume einschließlich des übrigen Inventars sei eine Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG anzunehmen (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.7.2013, 1 K 4421/10 U, EFG 2014, 1034).
Entscheidung
Der BFH entschied, das FG habe zu Unrecht auch die Verpachtung der Räume einschließlich des Inventars von der Schützenbruderschaft in seine Betrachtung mit einbezogen.
Für die Prüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen im Rahmen der vorliegend streitbefangenen umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehung zwischen A und der Klägerin müssten Leistungen außer Betracht bleiben, die Gegenstand einer weiteren – davon zu unterscheidenden – umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehung zwischen der Schützenbruderschaft und der Klägerin sind. Das ergebe sich u.a. daraus, dass nach § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG"der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers" tritt – also jeweils der Singular verwendet wird.
Hinweis
Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4. 2.2015 – XI R 42/13