Leitsatz

Liegen die Einnahmen, die einer Rechtsanwalts-GbR in Gestalt der Vergütungen des bei ihr angestellten Rechtsanwalts für dessen Tätigkeit als Insolvenzverwalter zugeflossen sind, nicht nur unter der Freibetragsgrenze nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG, sondern beträgt der Anteil an den Gesamtumsätzen maximal 2,71 %, so dass die Bagatellgrenze nicht überschritten ist, greift die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 GewStG nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht ein. Eine Rechtsanwalts-GbR übt keine gewerbliche Tätigkeit aus, soweit einer der beteiligten Rechtsanwälte als Insolvenzverwalter trotz qualifizierter Mitarbeiter leitend und eigenverantwortlich tätig wird und seinen Pflichten höchstpersönlich nachkommt. Das ist der Fall, wenn der Rechtsanwalt seinen zentralen Aufgaben als Insolvenzverwalter selbst nachkommt.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Rechtsanwalts-GbR und erklärte für ihre Gesellschafter Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Der Prüfer vertrat die Ansicht, dass die Klägerin gewerbliche Einkünfte erzielt habe, da ein bei der Klägerin angestellter Rechtsanwalt höchstpersönliche Aufgaben eines Insolvenzverwalters eigenverantwortlich erfüllt habe. Die Insolvenzverwaltung der Sozietät beruhe damit nicht mehr im Wesentlichen auf der persönlichen Arbeitskraft der Mitunternehmer. Dagegen wurde von der Klägerin vorgebracht, dass die von diesem Rechtsanwalt erzielten Umsätze unterhalb einer Bagatellgrenze von 3 % der Kanzleiumsätze lägen.

 

Entscheidung

Die Klage ist begründet. Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit gem. § 18 EStG, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs in eigener Person erfüllen. Bedient sich ein Gesellschafter hierbei der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte, muss er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig sein. Die Klägerin hat Einkünfte aus Insolvenzverfahren erzielt, in denen kein Gesellschafter, sondern ein bei ihr angestellter Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter bestellt wurde, der dabei eigenverantwortlich gehandelt hat. Daher hat die Klägerin insoweit auch gewerbliche Einkünfte erzielt. Obwohl die GbR hiernach grundsätzlich aufgrund der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Satz 1 EStG insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt hätte, liegen dennoch Einkünfte aus selbständiger Arbeit vor. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes greift bei einem äußerst geringen Anteil der gewerblichen Tätigkeit die Abfärberegelung nicht ein. Ebenso lässt der Freibetrag gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG erkennen, dass Kleinbetriebe keine Gewerbesteuer zahlen sollen. Der Senat hält einen äußerst geringen Anteil gewerblicher Umsatzerlöse von 3%, die auch unter dem gewerbesteuerlichen Freibetrag liegen, für unschädlich. Dies lag hier vor, da der gewerbliche Anteil maximal 2,71% betrug und der gewerbesteuerliche Freibetrag nicht überschritten wurde.

 

Hinweis

Das Urteil ist zu begrüßen. Es widerspräche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn u. U. ein einziger gewerblicher Umsatz die freiberufliche Tätigkeit einer Personengesellschaft gewerblich infizieren würde. Im vorliegenden Fall wird die Meinung des BFH bestätigt, der in seinem Beschluss v. 8.3.2004 bestimmt hat, dass bei einem - absolut unter den Freibetrags-Grenzen liegenden - Umsatzanteil einer GbR von 2,81% die Rechtsfolge des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht eintritt. Fraglich bleibt aber, ob beide Bagatellgrenzen gleichzeitig unterschritten werden müssen oder ob das Überschreiten einer Grenze unschädlich ist. Insbesondere ist von Relevanz, ob bei einem Unterschreiten des gewerbesteuerlichen Freibetrags i. H. v. 24.500 EUR auch noch ein gewerblicher Umsatzanteil von z.B. 5% unschädlich ist. Eine diesbezügliche Klärung durch den BFH bleibt abzuwarten.

 

Link zur Entscheidung

FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.12.2011, 2 K 412/08

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