Leitsatz
Für die Berechnung der begünstigten Einkommensteuer gem. § 34 Abs. 1 EStG in der seit 1999 geltenden Fassung sind die Verlustausgleichsbeschränkungen des § 2 Abs. 3 Sätze 3ff. EStG nicht zu beachten. Es sind vorrangig die laufenden negativen Einkünfte mit den laufenden positiven Einkünften zu verrechnen; erst danach ist eine Verrechnung mit den begünstigten Einkünften vorzunehmen (Abweichung von R 197 Abs. 3 Satz 4 EStR 1999).
Normenkette
§ 2 Abs. 3 EStG , § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG , § 34 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger erzielte im Jahr 1999 als Handelsvertreter gewerbliche Einkünfte i.H.v. 32.729 DM. Dieser Betrag ergibt sich aus Ausgleichszahlungen nach § 89b HGB i.H.v. 50.559 DM und einem laufenden Verlust i.H.v. 17.830 DM. Da er außerdem einen gewerblichen Verlust aus einer OHG-Beteiligung i.H.v. 2.765 DM erzielte, beliefen sich seine gewerblichen Einkünfte insgesamt auf 29.964 DM. Seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau hatte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. 8.200 DM und aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 45.975 DM. Das zu versteuernde Einkommen der Kläger betrug 65.491 DM.
Das FA gewährte den ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG nicht auf die volle Ausgleichszahlung, sondern lediglich auf den Betrag von 29.964 DM. Das FG gab der Klage statt (EFG 2003, 319).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG sei auf "alle" im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte der begünstigte Steuersatz anzuwenden. Der in § 2 Abs. 3 Satz 2 EStG angeordnete vorrangige Verlustausgleich innerhalb einer Einkunftsart gelte nicht für außerordentliche Einkünfte. Diese bilden innerhalb der Summe der Einkünfte bzw. der jeweiligen Einkunftsart eine "besondere Abteilung".
Hinweis
1. Die Kernaussage des Besprechungsurteils lautet:
Die nach § 34 EStG begünstigten Einkünfte stellen innerhalb der Summe der Einkünfte bzw. der jeweiligen Einkunftsart eine "besondere Abteilung" dar; an dem in § 2 Abs. 3 Satz 2 EStG angeordneten vorrangigen Verlustausgleich innerhalb einer Einkunftsart (sog. horizontaler Verlustausgleich) nehmen sie nicht teil.
Die außerordentlichen Einkünfte dürfen erst dann mit laufenden Verlusten verrechnet werden, wenn keine anderen positiven laufenden Einkünfte mehr zur Verfügung stehen. Damit ist gewährleistet, dass die im Gesetz vorgesehene Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte so weit wie irgend möglich dem Steuerpflichtigen zugute kommt.
2. Der BFH geht bei der Begründung seiner Entscheidung vom Wortlaut des § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG aus. Danach ist – wenn in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten sind – auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte ein nach der sog. Fünftelregelung zu berechnender ermäßigter Steuersatz anzuwenden. Im Einkommen "enthalten" – so der BFH – sind Einkünfte auch dann, wenn sie durch andere negative Einkünfte aufgezehrt werden, weil sie als Rechnungsgröße bei der Ermittlung des Einkommens wirksam geworden sind.
Folgt man dieser Argumentation, würde sich jede weitere Begründung für eine begünstigte Besteuerung des vollen Betrags der außerordentlichen Einkünfte erübrigen. Auch die Aufzehrung der begünstigten Einkünfte durch einen vorrangigen horizontalen Verlustausgleich innerhalb einer Einkunftsart würde nämlich nichts daran ändern, dass diese Einkünfte als Rechnungsgröße wirksam geworden sind.
Wenn der BFH gleichwohl ausführlich begründet, warum ein horizontaler Verlustausgleich der außerordentlichen gewerblichen Einkünfte mit den laufenden gewerblichen Verlusten – entgegen der zwingenden Anordnung in § 2 Abs. 3 Satz 2 EStG – nicht vorzunehmen ist, scheint er seinem "Rechengrößen-Argument" selbst nicht zu trauen.
3. Fazit: Eine für die Steuerpflichtigen erfreuliche Entscheidung mag auch die Begründung systematisch nicht voll zu überzeugen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.8.2003, XI R 27/03