Leitsatz
Bei der Kürzung des zusammenveranlagten Ehegatten gemeinsam zustehenden Vorwegabzugs für Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG) ist in die Bemessungsgrundlage "Summe der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit" nur der Arbeitslohn desjenigen Ehegatten einzubeziehen, für den Zukunftssicherungsleistungen i.S.d. § 3 Nr. 62 EStG erbracht worden sind oder der zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört.
Normenkette
§ 10 Abs. 3 EStG
Sachverhalt
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute und erzielten beide Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Ehefrau bezog im Streitjahr 2001 sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn i.H.v. 12.000 DM. Der Ehemann bezog als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH nicht sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn i.H.v. 104.592 DM. Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung hatte er nicht erworben.
Das FA berücksichtigte von den Vorsorgeaufwendungen der Eheleute (19.005 DM) lediglich 7.830 DM. Dabei bezog es in die Berechnungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs auch den Arbeitslohn des Ehemanns mit ein, so dass kein Vorwegabzug verblieb. Das FG gab der Klage statt (EFG 2003, 611).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Der gemeinsame Vorwegabzug sei lediglich um 16 % des Arbeitslohns der Ehefrau zu kürzen. Der Arbeitslohn des Ehemanns sei nicht einzubeziehen, da insoweit weder Zukunftssicherungsleistungen i.S.d. § 3 Nr. 62 EStG erbracht worden seien noch der Ehemann zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört.
Hinweis
1. Das vorliegende Problem hatte der BFH vor einiger Zeit bereits in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Vollziehung zu beurteilen (vgl. BFH, Beschluss vom 14.4.2003, XI B 226/02, BFH-PR 2003, 294). Er hat es damals für ernstlich zweifelhaft gehalten, dass der Vorwegabzug auch um 16 % des nichtversicherungspflichtigen Arbeitslohns des GmbH-Geschäftsführers zu kürzen ist. Der Besprechungsfall beinhaltet das entsprechende Hauptsacheverfahren. Der BFH bekräftigt hier seine im Aussetzungsverfahren geäußerte Auffassung und begründet sie noch ausführlicher.
2. Der BFH kommt durch eine Auslegung der in § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG enthaltenen Kürzungsregelung zu dem Ergebnis, dass nur solcher Arbeitslohn eines Ehegatten zur Kürzung des gemeinsamen Vorwegabzugs beitragen darf, in dessen Zusammenhang Zukunftssicherungsleistungen ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung des Arbeitnehmers erbracht worden sind. Diese Auslegung orientiert sich – ausgehend vom Wortlaut der Bestimmung – am Sinn und Zweck sowie an der historischen Entwicklung der Kürzungsnorm.
Danach ist in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs stets sozialversicherungspflichtiger Arbeitslohn einzubeziehen. Gleiches gilt aber auch für Arbeitslohn, in dessen Zusammenhang der Arbeitgeber – ohne dazu verpflichtet zu sein – zur Alters- oder Krankenversorgung des Arbeitnehmers beiträgt. Das ist z.B. der Fall, wenn eine GmbH ihrem Geschäftsführer, der als solcher zwar Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezieht, jedoch kein Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ist, vertraglich Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung zusichert.
3. Im Streitfall war dem Ehemann als Geschäftsführer von seiner GmbH keine Altersversorgung zugesagt worden. Sein Arbeitslohn durfte darum in die Kürzungsregelung für den Vorwegabzug nicht einbezogen werden.
Etwas anderes – so der BFH – kann auch nicht aus § 26b EStG abgeleitet werden, wonach Ehegatten beim Sonderausgabenabzug gemeinsam als Steuerpflichtiger zu behandeln sind. Diese Vorschrift ist ihrem Wortlaut nach nur anzuwenden, "soweit nichts anderes vorgeschrieben ist". Schreibt aber § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG die durch Auslegung gewonnene Anwendung vor, kann § 26b EStG schon deshalb nicht eingreifen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.12.2003, XI R 11/03