Leitsatz
Einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen führen nicht zu einer Kürzung der nach § 33 EStG abzugsfähigen Aufwendungen.
Normenkette
§ 33 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG, § 23 Abs. 3 TV-L
Sachverhalt
Die Klägerin erhielt im Streitjahr (2017) aufgrund des Ablebens ihrer Mutter – auch ohne ihre Erbin geworden zu sein – gemäß § 23 Abs. 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder ein Sterbegeld i.H.v. brutto 6.550,20 EUR.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin das erhaltene Sterbegeld nicht, machte jedoch die Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung geltend.
Das FA setzte das Sterbegeld nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrags sowie des Versorgungsfreibetrags als steuerpflichtige Einkünfte der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit an und berücksichtigte die geltend gemachten Beerdigungskosten erklärungsgemäß. Im Einspruchsverfahren änderte das FA nach vorherigem Hinweis auf eine mögliche Verböserung den Einkommensteuerbescheid dahin gehend, dass es die geltend gemachten Beerdigungskosten wegen einer Anrechnung des diese Kosten übersteigenden Sterbegelds nicht mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zuließ, und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Das FG gab der daraufhin erhobenen Klage teilweise statt. Es erkannte die Beerdigungskosten lediglich gekürzt um den Versorgungsfreibetrag als außergewöhnliche Belastung an (FG Düsseldorf, Urteil vom 15.6.2020, 11 K 2024/18 E, Haufe-Index 14033471).
Entscheidung
Die Revision des FA hat der BFH zurückgewiesen. Das FG habe zutreffend entschieden, dass das einkommensteuerpflichtige Sterbegeld der Klägerin nicht auf ihre als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Beerdigungskosten anzurechnen ist.
Hinweis
1. Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger aus sittlichen Gründen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen übernimmt, sind als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG steuerlich zu berücksichtigen, soweit die Aufwendungen nicht aus dem Nachlass bestritten werden können oder durch sonstige dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Tod des Angehörigen zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind (st. Rechtsprechung; BFH, Urteil vom 19.10.1990, III R 93/87, BStBl II 1991, 140, BFH/NV 1991, 15, Haufe-Index 63270 und BFH, Beschluss vom 21.2.2018, VI R 11/16, BFH/NV 2018, 761, Haufe-Index 11723765).
2. Diese Vorteilsanrechnung gründet auf der zweckgerichteten Auslegung des Begriffs der Aufwendungen und dem Merkmal der Außergewöhnlichkeit. Denn der Abzugstatbestand des § 33 EStG erfordert die verminderte subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Der Steuerpflichtige ist im Ergebnis lediglich um die Differenz von außergewöhnlichem Aufwand und (steuerfreier) Ersatzleistung belastet. Nur insoweit trägt er den außergewöhnlichen Aufwand tatsächlich und nur insoweit ist seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vermindert (BFH, Beschluss vom 14.4.2011, VI R 8/10, BFH/NV 2011, 1237, Haufe-Index 2690978 und BFH, Beschluss vom 21.2.2018, VI R 11/16, BFH/NV 2018, 761, Haufe-Index 11723765).
3. Die Vorteilsanrechnung dient der Vermeidung einer steuerlichen Doppelentlastung. Einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen führen daher nicht zu einer Kürzung der nach § 33 EStG abzugsfähigen Aufwendungen (z.B. BFH, Urteil vom 23.11.2016, X R 13/14, BFH/NV 2017, 445, Haufe-Index 10341217).
4. Das von der Klägerin bezogene Sterbegeld ist ein steuerpflichtiger Versorgungsbezug i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG (BFH, Urteil v. 19.4.2021, VI R 8/19BFH/NV 2021, 1253, Haufe-Index 14692006). Die als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Beerdigungskosten waren daher im Streitfall nicht um das Sterbegeld zu kürzen.
5. Die vom FA begehrte Kürzung der Beerdigungskosten zumindest i.H.d. Nettobetrags des steuerpflichtigen Sterbegelds (Einnahmen gemindert um die darauf entfallende Steuer) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Werden außergewöhnliche Belastungen – wie vorliegend – aus zu versteuerndem Einkommen geleistet, sind die entsprechenden Aufwendungen ohne Anrechnung der zu versteuernden Beträge nach § 33 EStG abziehbar. Denn eine (auch nur teilweise) Anrechnung der zu versteuernden Leistung auf die nach § 33 EStG abziehbare außergewöhnliche Belastung hätte in einem solchen Fall eine unzulässige doppelte steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen zur Folge.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.6.2023 – VI R 33/20