Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht keine Pflicht zur Vergabe numerisch fortlaufender und systembedingt und damit "nachprüfbarer" Rechnungsnummern. Eine solche Pflicht ergibt sich weder aus dem Vollständigkeitsgebot des § 146 AO noch aus den bestehenden umsatzsteuerlichen Pflichten (§§ 22, 14 UStG).
Sachverhalt
Streitig sind Hinzuschätzungen zu dem vom klagenden Gewerbetreibenden nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Gewinn, weil seine Ausgangsrechnungen keine ordnungsgemäße (fortlaufende) Rechnungsnummer enthalten.
Der Kläger verwendete auf seinen elektronischen Rechnungen ausschließlich Buchungsnummern, die computergesteuert durch eine Kombination aus Geburtsdatum des Kunden und Rechnungsdatum erzeugt wurden. Zwar wurde jede Buchungsnummer nur einmalig vergeben, jedoch bauten diese aber nicht numerisch fortlaufend aufeinander auf. Die Betriebsprüfung stellte keine konkreten Einzelfälle einer Nichterfassung oder fehlerhaften Erfassung von Ausgangsrechnung beim Kläger fest und führte auch keine Verprobungsrechnungen (z. B. Geldverkehrsrechnung oder Vermögenszuwachsrechnung) durch. Der Grundsatz der Einzelaufzeichnung sehe, um die Vollständigkeit kontrollieren zu können, die Vergabe einer (fortlaufenden) Rechnungsnummer vor, was im Streitfall fehle.
Entscheidung
Das Finanzgericht Köln machte die Gewinnhinzuschätzung rückgängig. Für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG bestehe weder eine gesetzliche noch eine aus der Rechtsprechung herleitbare Pflicht zur Vergabe einer Rechnungsnummer nach einem bestimmten lückenlosen numerischen System.
Eine gesetzliche Pflicht zur Vergabe einer lückenlosen fortlaufenden Rechnungsnummer kann nach Überzeugung des Finanzgerichts auch nicht für ertragsteuerliche Zwecke aus der Rechnungslegungsvorschrift des § 14 UStG hergeleitet werden. Zwar verlangt § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 UStG die Angabe einer fortlaufenden Rechnungsnummer. Die Norm steht nach Überzeugung des Finanzgerichts aber systematisch im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug nach § 15 UStG und dient lediglich dem umsatzsteuerlichen Zweck, die Korrespondenz von Umsatzsteuerschuld des Leistenden und Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers prüfen zu können.
Zwar kann nach dem BFH-Beschluss v. 7.2.2017 (X B 79/16, BFH/NV 2017 S. 774) eine Vielzahl von Lücken in der Rechnungsnummernabfolge im konkreten Einzelfall eine Hinzuschätzung in Form eines (Un-)Sicherheitszuschlags - in Kombination mit nachweisbar nicht verbuchten Rechnungen - eine nicht gewährleistete Vollständigkeit der Erfassung der Einnahmen darstellen (ähnlich FG Hamburg, Urteil v. 28. 8.2017, 2 K 184/15). Trotz der o. g. Rechtsprechung sieht das Finanzgericht bislang keine konkret durch die Rechtsprechung hergeleitete Pflicht zur Vergabe einer Rechnungsnummer nach einem bestimmten lückenlosen numerischen System. Für das Finanzgericht ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Bundesfinanzhof aus den Vorschriften der §§ 140 ff. AO, § 22 UStG i. V. m. §§ 63 ff. UStDV oder aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 UStG eine konkrete Pflicht zur Vergabe einer numerisch lückenlosen Rechnungsnummer hergeleitet hätte.
Verwendet ein Steuerpflichtiger dagegen ein System, in welchem bei zutreffender Vergabe von Rechnungsnummern eine lückenlose Abfolge von Nummern ersichtlich sein müsste. können nach Auffassung des Finanzgerichts Lücken in der Nummerierung Zweifel an der formellen und sachlichen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung erzeugen. Wenn jedoch - wie im Streitfall - gar keine systembedingt lückenlose, d. h. numerisch um 1 oder einen anderen vorhersehbaren Wert erfolgende Hochzählung einer Rechnungsnummer erfolgt, kann bereits keine Lückenhaftigkeit festgestellt werden.
Das Finanzgericht verkennt hierbei nicht, dass bei dieser Betrachtung Steuerpflichtige bei der Verwendung einer (systembedingt) numerisch lückenlosen Rechnungsnummer schlechter gestellt sein könnten als Steuerpflichtige, die schon (systembedingt) nur eine willkürliche Zahlenkombination erzeugen oder gar keine Nummerierung vornehmen. Auf Basis der derzeitigen Rechtslage vermag das Finanzgericht aber keine solche Pflicht zu erkennen.
Andere zu einer Hinzuschätzung nach § 162 Abs. 2 AO berechtigenden konkrete Anhaltspunkte für nicht oder falsch erfasste Einnahmen hat die Betriebsprüfung nicht benannt. Verprobungen durch Geldverkehrsrechnung, Vermögenszuwachsrechnung oder (internen/externen) Betriebsvergleich, die Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Kläger gemachten Angaben bieten könnten, sind nicht erfolgt.
Hinweis
Bei der derzeit überhandnehmenden Anforderung der Finanzverwaltung an die Kassenführung, Buchhaltung und Dokumentenablage ist das Urteil des Finanzgerichts praxisfreundlich. Das Finanzgericht hat die Revision zum BFH zugelassen.
Zwar lautete die Überschrift der Pressemeldung des FG Köln "Keine Pflicht zur Vergabe lückenlos fortlaufender Rechnungsnummern bei Einnahme-Überschuss-Rechnung". Den Urteilsgründen kann jedoch nicht entnommen werden, dass die Entsche...