Leitsatz
1. Die Umsätze eines gewerblichen Betreibers von Geldspielautomaten sind aufgrund der am 06.05.2006 in Kraft getretenen Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG steuerpflichtig.
2. Die in dieser Vorschrift getroffene Regelung, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche "sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" von der Steuerbefreiung ausgenommen sind, verstößt weder gegen Unionsrecht noch gegen das GG.
Normenkette
§ 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 2005 i.d.F. ab 06.05.2006, Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der RL 2006/112/EG
Sachverhalt
Die Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolgerin, die Revisionsklägerin, betreibt eine Spielhalle mit Geldspielautomaten. Sie macht geltend, ihre daraus im Januar 2007 erzielten Umsätze seien steuerfrei. § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. sei unionsrechtswidrig.
Das FA unterwarf die Umsätze der USt.
Das Niedersächsische FG wies die Klage ab: Die Umsätze aus Geldspielautomaten seien nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. steuerfrei, da sie nicht unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fielen. Die Neuregelung verstoße nicht gegen Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der MwStSystRL (Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.10.2007, 5 K 137/07, Haufe-Index 1849643, EFG 2008, 256).
Entscheidung
Die Revision hatte im Ergebnis keinen Erfolg.
Nachdem während des Revisionsverfahrens der Jahressteuerbescheid ergangen war, hat die Revisionsklägerin die Feststellung beantragt, dass die USt-Festsetzung für Januar 2007 rechtswidrig gewesen sei.
Der BFH hat die Klage abgewiesen. Er hat die auch nach der Vorabentscheidung des EuGH aufrechterhaltenen Einwendungen der Revisionsklägerin gegen die Übereinstimmung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG mit dem Unions- und Verfassungsrecht für unbegründet gehalten. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Der BFH hat im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 17.12.2008, XI R 79/07 (BFH/NV 2009, 671, BFH/PR 2009, 233) dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der MwStSystRL eine nationale Regelung – wie in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. – gestatte, nach der sämtliche "sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz", also auch Spiele mit Geldspielautomaten, von der Steuerbefreiung ausgenommen seien.
Der EuGH hat diese Frage mit Urteil vom 10.06.2010, C-58/09 – Leo Libera – (BFH/NV 2010, 1590, BFH/PR 2010, 385) bejaht.
Er hat außerdem klargestellt, dass es für die Festsetzung von USt auf die Umsätze mit Geldspielautomaten unerheblich ist, ob bei öffentlichen Spielbanken die diesen gegenüber festgesetzte USt auf die außerdem erhobene Spielbankenabgabe angerechnet wird. Denn der unionsrechtliche Grundsatz der steuerlichen Neutralität finde auf nationale Abgaben, die neben der USt festgesetzt würden, keine Anwendung (Rn. 38 des Urteils).
2. Die USt, die auf die Umsätze mit Geldspielautomaten entfällt, ist i.S.d. Rechtsprechung des EuGH "abwälzbar".
Der EuGH sieht als eines von insgesamt vier wesentlichen Merkmalen der USt an, dass der Unternehmer (Steuerpflichtige) die von ihm auf den vorhergehenden Stufen entrichtete Mehrwertsteuer von der von ihm geschuldeten Steuer abziehen kann, sodass sich "die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird" (vgl. EuGH, Urteil vom 08.06.1999, C-338 u.a., "Pelzl"; Slg. 1999, I-3119, UR 1999, 328, Rn. 21).
Dieses Merkmal ist bei den Umsätzen mit Geldspielautomaten erfüllt, weil die Betreiber der Spielhallen einen Anspruch auf Abzug von Vorsteuerbeträgenhaben, soweit sie steuerpflichtige Umsätze ausführen.
Dem Umstand, dass die Mehrwertsteuer nur den Endverbraucher belasten soll, wird außerdem dadurch Rechnung getragen, dass die Bemessungsgrundlage für die USt nicht höher sein darf als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich erbracht hat (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 24.10.1996, C-317/94"Elida Gibbs", Slg 1996, I-5339, Haufe-Index 60618, BStBl II 2004, 324, Rn. 19, 24, 28).
Auch dieses Erfordernis wird bei den Umsätzen mit Geldspielautomaten erfüllt.
3. § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Das BVerfG hat zur Abwälzbarkeit einer Steuer ausgeführt, die Steuerüberwälzung sei ein wirtschaftlicher Vorgang; das Gesetz überlasse es dem Steuerschuldner, den Steuerbetrag in die Kalkulation einzubeziehen und die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch dann zu wahren (BVerfG, Beschluss vom 03.05.2001, 1 BvR 624/00, BFH/NV 2001, Beilage 2, 159, unter II.1.b.aa).
Danach reicht es für die Abwälzbarkeit aus, dass diese generell möglich ist. Sie wird dem Unternehmer aber nicht über die Möglichkeit hinaus garantiert, dass er die auf seine steuerpflichtigen Umsätze entfallenden Vorsteuerbeträge abziehen kann und dass die Bemessungsgrundlage nicht höher sein darf als die tatsächlich erhaltene Gegenleistung.
4. Die USt auf Umsätze mit Geldspielautomaten verstößt auch nicht zulasten der Unternehmer gegen den Grundsatz der Proportionalität der Mehrwertsteu...