Leitsatz
Mittäter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung ist nicht, wer sich als Ehegatte darauf beschränkt, die gemeinsame Einkommensteuererklärung zu unterschreiben, in welcher der andere Ehegatte unrichtige oder unvollständige Angaben über eigene Einkünfte macht.
Normenkette
§ 71 AO , § 370 Abs. 1 AO , § 25 Abs. 3 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der Ehemann hatte vom früheren Ministerium der Staatssicherheit der DDR über mehrere Jahre hinweg Agentenlohn von rund 700 000 DM erhalten, den die Eheleute in ihren gemeinsamen ESt-Erklärungen verschwiegen.
Das FA nahm die Ehefrau insoweit in Haftung, da sie die unrichtige Erklärung mitunterzeichnet habe, obwohl sie von dem Agentenlohn Kenntnis gehabt habe. Sie habe ein eigenes Interesse an der Stärkung des Familienvermögens gehabt.
Entscheidung
Der BFH verneinte den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung durch die Ehefrau und lehnte dementsprechend auch ihre Haftung ab.
Zwar müssen zusammen veranlagte Eheleute mit ihrer Unterschrift versichern, die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben. Daraus lasse sich aber nicht folgern, dass alle Angaben auch von beiden Ehegatten mitgetragen würden.
Der Erklärungsgehalt der Unterschrift beschränkt sich damit auf die Tatsachen, die (nur) den jeweiligen Ehegatten betreffen. Betreffen Besteuerungsmerkmale aber beide Ehegatten (z.B. Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen), beziehen sich die Erklärungen jedes Ehegatten auf diese Merkmale.
Hinweis
Die Entscheidung ist zu der Frage ergangen, ob der die ESt-Erklärung mitunterzeichnende Ehegatte Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung des anderen Ehegatten ist, wenn die gemeinsame Steuererklärung unrichtige Angaben zu den Einkünften des anderen Ehegatten enthält.
Hier stellt sich neben der Frage der Strafbarkeit die Haftungsfrage nach § 71 AO. Danach haftet der Täter oder Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) für die verkürzten Steuern.
Der BFH schloss sich der im Schrifttum überwiegend vertretenen Meinung an. Danach liegt eine Beihilfe oder Mittäterschaft eines Ehegatten an der Hinterziehung des anderen Ehegatten nicht schon dann vor, wenn der eine Ehegatte die ESt-Erklärung mit unterzeichnet, obwohl er weiß, dass die Angaben seines Ehegatten über dessen Einkünfte unrichtig sind.
Das bloße Mitunterzeichnen, zu dem der andere Ehegatte bei Zusammenveranlagung verpflichtet ist, begründet noch keine Mitverantwortung für die unrichtige Erklärung der Einkünfte des anderen Ehegatten. Denn jeder Ehegatte macht Angaben nur zu dem Sachverhalt, der seiner Wissenssphäre zuzurechnen ist.
Anders ist es selbstverständlich, wenn ein Ehegatte den anderen aktiv darin unterstützt, falsche Angaben zu machen.
Der mitunterzeichnende Ehegatte begeht auch keine Steuerhinterziehung dadurch, dass er das FA in Unkenntnis über die unrichtigen Angaben lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Denn der Ehegatte ist insoweit nicht erklärungspflichtig, da ihm ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht (§§ 101 Abs. 1, 103 AO).
Bei der Frage der Strafbarkeit bzw. der Haftung des Ehegatten ist sonach zu unterscheiden, ob dieser die Steuererklärung lediglich mitunterzeichnet hat oder ob er darüber hinaus aktiv an der Hinterziehung seines Gatten mitgewirkt hat, indem er z.B. bei ihm den Tatenschluss hervorgerufen oder bekräftigt hat. Für einen derartigen Tatbeitrag trägt das FA die Feststellungslast.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.4.2002, IX R 40/00