Leitsatz

1. Zur Qualifizierung eines Unternehmens als "Unternehmen des produzierenden Gewerbes" legt § 2 Nr. 4 StromStG einen eigenständigen Unternehmensbegriff fest, der eine Berücksichtigung der Haupttätigkeit der mit diesem Unternehmen organschaftlich verbundenen Unternehmen nicht zulässt.

2. Die stromsteuerrechtliche Bevorzugung von Gütertransporten im Schienenbahnverkehr gegenüber Mineralöltransporten in Rohrfernleitungen (Pipelines) verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Normenkette

§ 2 Nr. 4 StromStG , § 9 Abs. 3 StromStG , § 9 Abs. 2 Nr. 2 StromStG

 

Sachverhalt

Eine GmbH widmet sich dem Bau und Betrieb einer Ölpipeline. Die ihr ursprünglich gem. § 9 Abs. 4 StromStG erteilte Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom ist vom HZA widerrufen worden, weil es sich um ein Unternehmen handle, das gem. der Klassifikation der Wirtschaftszweige dem nicht begünstigten Dienstleistungsbereich zuzuordnen sei. Die GmbH verweist demgegenüber u.a. darauf, dass die Pipeline Bestandteil der Raffinerien ihrer Gesellschafter sei, welche die Voraussetzungen einer Mehrmütterorganschaft erfüllten.

 

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Der BFH stellt auf das Unternehmen, nicht auf dessen Gesellschafter ab, auch wenn es sich um ein Organschaftsverhältnis handelt. Die verfassungsrechtlichen Fragen der Strom-Besteuerung und der Begünstigung (nur) des sog. produzierenden Gewerbes i.S.d. statistischen Nomenklatur waren ohnehin schon durch die Grundentscheidung des BVerfG im Wesentlichen geklärt.

 

Hinweis

1. Strom unterliegt einem ermäßigten Steuersatz, wenn er von Unternehmen des produzierenden Gewerbes oder der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen wird und die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 StromStG nicht vorliegen (§ 9 Abs. 3 StromStG). Bei der Qualifizierung des Steuerschuldners ist auf die kleinste rechtlich selbstständige Einheit abzustellen. Ein bloßes organschaftliches Verhältnis zu Unternehmen des produzierenden Gewerbes ist nach § 2 Nr. 4 StromStG nicht ausreichend.

2. Bei der Zuordnung der Unternehmen, z.B. zum "produzierenden Gewerbe", ist auf den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit abzustellen, auch wenn sich ggf. die Steuerbegünstigung auch auf untergeordnete Tätigkeiten erstreckt, die sich für sich genommen nicht als Herstellungshandlungen darstellen (BFHE 207, 88, BFH/NV 2005, 145). Die Verweisung des StromStG auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige zur Festlegung des Begünstigtenkreises ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BFH, Urteil vom 24.8.2004, VII R 23/03, BFH-PR 2005, 43).

3. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Dienstleistungsunternehmen und Unternehmen des produzierenden Gewerbes nimmt das StromStG nach dem Urteil des BVerfG in HFR 2004, 572 nicht vor.

4. Beachten Sie, dass § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO über den Wortlaut hinaus auch eine Rechtsgrundlage für den Widerruf eines mit einem Widerrufsvorbehalt versehenen und als rechtswidrig erkannten begünstigenden Verwaltungsakts ist. Obwohl eine Ermessenentscheidung erforderlich ist, ist grundsätzlich ein Widerruf einer rechtswidrigen steuerrechtlichen Erlaubnis geboten (Gleichmäßigkeit der Besteuerung!).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.11.2004, VII R 41/03

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