Leitsatz
1. Die Einlösung einer unechten (umgekehrten) Umtauschanleihe mit der Andienung eines Wertpapiers durch den Emittenten erfüllt den Tatbestand der Einlösung in § 20 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der nach dem 31.12.2008 geltenden Fassung.
2. § 20 Abs. 4a Satz 3 Halbsatz 1 EStG findet auch auf im Einlösungszeitpunkt eingetauschte oder angediente Xetra-Gold-Schuldverschreibungen Anwendung, wenn diese die Voraussetzungen des Wertpapierbegriffs gemäß § 2 Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes erfüllen.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Satz 2, Abs. 4 Satz 1, Abs. 4a Satz 3, Abs. 8 Satz 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG, § 2 Abs. 1 WphG
Sachverhalt
Der Kläger erzielte im Streitjahr einen hohen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn. Zu dessen steuerlicher "Neutralisierung" erwarb er zwei gegenläufig strukturierte Schuldverschreibungen und verfuhr damit wie geschildert. Das FA nahm nach einer Außenprüfung an, der Kläger habe aus der Veräußerung der ersten Anleihe einen dem gesonderten Tarif unterliegenden Verlust und aus der Einlösung der anderen Anleihe einen ebenfalls dem gesonderten Tarif unterliegenden Gewinn erzielt (keine Anwendung von § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG). Das FA verrechnete beide Positionen und ermittelte einen dem gesonderten Tarif unterfallenden (geringen) Verlust.
Das FG hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Veräußerung der ersten Anleihe habe zu einem tariflich zu besteuernden Verlust geführt. Die Einlösung der anderen Anleihe sei jedoch nicht steuerneutral möglich gewesen. Sie habe zu einem dem gesonderten Tarif unterliegenden Gewinn geführt (teleologische Reduktion von § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG mit der Maßgabe, dass die Rechtsfolge nur für in § 20 EStG steuerverstrickte Wertpapiere eintritt; FG München, Urteil vom 29.9.2020, 5 K 2870/19, Haufe-Index 14204767).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA zurückgewiesen. Die Veräußerung der ersten Anleihe führt zu einem tariflich besteuerten voll ausgleichsfähigen Verlust. Auf die Revision der Kläger hat der BFH das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und der Klage insgesamt stattgegeben. Die Einlösung der zweiten Anleihe führt nach § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG nicht zu einem Gewinn. Die rechtspolitische Fehlvorstellung des Gesetzgebers, die eingetauschten Wertpapiere unterfielen bei ihrer Veräußerung stets der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 EStG, hat im Wortlaut der Vorschrift keinen Niederschlag gefunden und kann deshalb vom BFH nicht korrigiert werden.
Der Gesetzgeber hat seinen Fehler unterdessen erkannt und den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG für nach dem 31.12.2020 angediente Wertpapiere auf Wertpapiere i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 EStG (insbesondere Aktien) eingeschränkt. Die Neuregelung entfaltet aber keine Rückwirkung.
Hinweis
Dem Besprechungsfall liegt eine komplexe Gestaltung zugrunde. Im wirtschaftlichen Ergebnis soll damit ein voll steuerpflichtiger Gewinn (z.B. Veräußerungsgewinn) in einen nach § 23 EStG nicht steuerbaren Veräußerungsgewinn "umgewandelt" werden. Dazu werden im ersten Schritt zwei gegenläufig ausgestaltete Index-Anleihen erworben. Es handelt sich um festverzinsliche Kapitalforderungen mit der Besonderheit, dass der Emittent anstelle der Rückzahlung in Geld auch Xetra-Gold-Schuldverschreibungen andienen und liefern darf. Die eine Anleihe verfällt planmäßig und wird kurz vor Fälligkeit an eine GmbH veräußert, an der der Veräußerer (nach der im Streitjahr maßgeblichen Rechtslage) zu 10 % beteiligt ist. Daraus ergibt sich der tarifbesteuerte ausgleichsfähige Verlust. Die andere Anleihe wird erfüllt, indem der Emittent die Xetra-Gold-Schuldverschreibungen liefert. Diese werden ein Jahr lang gehalten. Zur Absicherung des Kursrisikos werden Sicherungsgeschäfte abgeschlossen. Nach Ablauf der Haltefrist von einem Jahr können die Xetra-Gold-Schuldverschreibungen veräußert und der Gewinn aus der zweiten Anleihe nicht steuerbar realisiert werden. Soweit der Sachverhalt im Streitjahr zu beurteilen war, hat der BFH die Gestaltung gebilligt:
1. Im ersten Schritt war insbesondere zu entscheiden, ob die Veräußerung der (verfallenen) Anleihe an die GmbH zu einem steuerbaren Verlust geführt hat. Die in diesem Zusammenhang zu beurteilenden Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des VIII. Senats bereits geklärt. Der BFH nimmt insofern auf seine bisherige Rechtsprechung Bezug.
a) Bei der Anleihe handelte es sich um eine sonstige Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Daran ändert nichts, dass die Emittentin zwischen der Erfüllung in Geld und der Andienung von Xetra-Gold-Schuldverschreibungen (u.a.) wählen konnte. Zwar handelt es sich bei Letzteren nicht um Kapitalforderungen, weil sie einen Sachlieferungsanspruch verkörpern. Das Wahlrecht ändert aber nichts daran, dass die Anleihe eine Kapitalforderung darstellt.
b) Ihre Veräußerung führt zu einem steuerbaren Verlust nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 und Abs. 2 Satz 2 EStG. Die Gewinnerzielungsabsicht wird im ...