Leitsatz
Die Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehung von 10 Jahren gelangt nur dann zur Anwendung, wenn eine tatsächlich zu zahlende Steuer hinterzogen worden ist, nicht jedoch, wenn der Steuerpflichtige nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist nur noch die Festsetzung eines Erstattungsanspruchs durchsetzen möchte. Bei Erstattungsansprüchen bleibt es bei der 4-jährigen Festsetzungsfrist. Die längere Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung gilt nicht zu Gunsten des Steuerpflichtigen.
Sachverhalt
Der Kläger und sein Sohn gründeten 1993 eine GbR. Diese Gesellschaft betrieb ein Verkaufsgeschäft. Der Kläger übernahm 1995 den Gesellschaftsanteil seines Sohnes, nachdem ihm aufgefallen war, dass sein Sohn und damaliger Geschäftsführer die Geschäfte der GbR nicht ordnungsgemäß führte und keine Steuererklärungen ab gab. Durch die Übernahme des Gesellschaftsanteils wurde der Kläger Gesamtrechtsnachfolger der GbR. Aufgrund einer Marktprüfung wandte sich der Kläger in 2001 an einen steuerlichen Berater und reichte im Herbst 2001 Steuererklärungen der GbR für das Jahr 1993 ein. In der USt-Erklärung 1993 wurde ein beachtlicher Vorsteuerüberschuss erklärt. Der Beklagte lehnte die Durchführung der USt-Veranlagung 1993 ab, da seines Erachtens die Festsetzungsfrist bereits Ende 2000 abgelaufen sei. Der Ablehnungsbescheid wurde gegenüber der GbR bekannt gegeben. Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte die GbR Einspruch ein, der erfolglos blieb. Die zunächst erhobene Klage wurde wieder zurückgenommen. Anfang 2003 wurde für die GbR die USt-Erklärung 1994 eingereicht, die ebenfalls zu einer Erstattung von Vorsteuer führen sollte. Der Beklagte lehnte auch die Durchführung der USt-Veranlagung 1994 ab. Gleichzeitig lehnte der Beklagte erneut den Antrag auf Durchführung der USt-Veranlagung 1993 ab. Beide Ablehnungsbescheide wurden an den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger der GbR bekannt gegeben. Die Einsprüche des Klägers wurden vom Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger erhob hiergegen Klage.
Entscheidung
Die zulässige Klage war unbegründet. Nach Ansicht des erkennenden Senats seien die begehrten Umsatzsteuerveranlagungen nicht mehr zulässig, weil zu dem Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Zwar seien der objektive und subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung hinsichtlich USt 1993 und 1994 erfüllt, dennoch ergebe sich hieraus keine 10-jährige Festsetzungsfrist. Diese gelange nur zur Anwendung, wenn eine tatsächlich zu zahlende Steuer hinterzogen worden sei. Entscheidend sei, ob eine Zahlungsverpflichtung zu Lasten des Steuerpflichtigen bestehe oder ob der Steuerpflichtige nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist nur noch die Festsetzung eines Erstattungsanspruchs durchsetzen wolle. Die Intention des Gesetzes führe zu einer systemgerechten einschränkenden Auslegung des Ausnahmetatbestandes der verlängerten Festsetzungsfrist. Die Verlängerung gelte nur, soweit Steuern tatsächlich hinterzogen seien, und lasse in Form einer Sanktion nur eine weitergehende Steuerfestsetzung zu Ungunsten des Steuerunehrlichen zu.
Hinweis
Die Revision wurde nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten. Der Senat selbst erkennt in den Entscheidungsgründen, dass seine Auslegung dazu führt, dass abhängig vom Ergebnis der zu berechnenden Steuer unterschiedliche Festsetzungsfristen für Steuerfestsetzungen zu Gunsten oder zu Lasten des Steuerpflichtigen im Falle von Steuerhinterziehung gelten. Dies, obwohl Verjährungsvorschriften grundsätzlich sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Steuerpflichtigen wirken. Bis zu einer abschließenden Klärung, ob der BFH diese Interpretation der einschlägigen verfahrensrechtlichen Bestimmung teilt, sollten in vergleichbaren Fällen Erstattungsanträge gestellt werden. Das Rechtsbehelfs-, spätestens das Klageverfahren könnte dann allerdings ruhen.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 24.06.2005, I 349/04