Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Die Weiterleitung erstatteter Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH an dessen in der GmbH beschäftigte Ehefrau, für deren Altersversorgung die Arbeitgeberanteile irrtümlich gezahlt wurden, ist keine Zuwendung des Arbeitgebers, die dem Gesellschafter-Geschäftsführer als vGA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzurechnen ist, wenn das Arbeitsverhältnis fremdüblich vereinbart und tatsächlich durchgeführt wurde.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, §§ 85, 88 AO, § 76 Abs. 1 FGO, § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB IV
Sachverhalt
Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Seit dem Bestehen der GmbH war seine Ehefrau für diese als Angestellte tätig. Nach ihrem Arbeitsvertrag oblagen ihr "alle anfallenden kaufmännischen Arbeiten sowie die Kundenbetreuung der Firma in Absprache mit den Geschäftsführern" unter Vereinbarung einer Arbeitszeit von 40 Stunden je Woche ohne Bindung an bestimmte Arbeitszeiten gegen ein monatliches Grundgehalt von 4.000 DM.
Das FA vertrat die Auffassung, der Kläger habe von der GmbH eine vGA durch Weiterleitung rückerstatteter Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung an seine Ehefrau erhalten; diese vGA sei im Halbeinkünfteverfahren zu besteuern.
Der dagegen erhobenen Klage gab das FG statt (FG Münster, Urteil vom 21.3.2012, 7 K 4640/09 E, Haufe-Index 2997463, EFG 2012, 1142).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Er folgte der Vorinstanz, dass die Weiterleitung des rückerstatteten Arbeitgeberbeitrags nicht als vGA, sondern als weiterer Arbeitslohn der Ehefrau anzusetzen sei, weil auch unter Einbeziehung dieser Zahlung von einer Angemessenheit ihrer Vergütung nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs ausgegangen werden könne und in Fällen der Rückerstattung von Arbeitgeberbeiträgen das Fehlen einer entsprechenden im Vorhinein getroffenen (Weiterleitungs-)Vereinbarung nicht entgegenstehe.
Die Würdigung des FG, dass der Bruttolohn der Ehefrau auch unter Hinzurechnung der erstatteten Arbeitgeberbeiträge im Verhältnis zu der von ihr erbrachten Arbeitsleistung angemessen gewesen sei, sei für den BFH bindend. Sie beruhe auf der Feststellung, dass die Ehefrau für die GmbH eine geschäftsführerähnliche Tätigkeit ausgeübt habe und dass die GmbH und die Ehefrau des Gesellschafters bei Kenntnis der fehlenden Rentenversicherungspflicht der Ehefrau deren Bruttogehalt von Anfang an höher bemessen hätten.
Hinweis
Wenn der Arbeitgeber irrtümlich entrichtete Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung erstattet bekommt, so könnte man meinen, dass der Arbeitgeber ursprünglich Zahlungen für eine ihm auferlegte öffentlich-rechtliche Pflicht geleistet hat, sodass die Erstattung ihm und nicht dem Arbeitnehmer zusteht. Wird die Erstattung an einen Arbeitnehmer weitergeleitet, der ein naher Angehöriger des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH ist, so kann man die Frage aufwerfen, ob eine vGA an eine dem Gesellschafter nahestehende Person vorliegt.
Doch Vorsicht, ein solcher Schluss wäre voreilig. Bei näherem Hinsehen ist die Rechtslage eine andere:
1. Eine vGA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist nach der (hier leicht verkürzten) Definition der Rechtsprechung des BFH in drei Erscheinungsformen anzutreffen:
a) Eine vGA setzt allgemein voraus, dass die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat, d.h. wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte.
b) Dies gilt auch dann, wenn eine dem Gesellschafter nahestehende Person den Vermögensvorteil erhält.
c) Wird ein beherrschender Gesellschafter begünstigt, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahestehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt.
2. Ob Leistungen einer Kapitalgesellschaft an Angehörige eines Gesellschafters im Rahmen eines zwischen Gesellschaft und Angehörigen bestehenden Arbeitsverhältnisses als Betriebsausgabe der Gesellschaft oder als vGA zugunsten des Gesellschafters zu erfassen sind, ist danach zu beurteilen, ob das Gehalt angemessen ist und dem entspricht, was ein Fremder unter vergleichbaren Umständen als Gegenleistung erhalten würde (Fremdvergleich).
Gehaltszahlungen an Angehörige sind steuerrechtlich nur zu berücksichtigen, wenn das Gehalt der Höhe nach zu Beginn des Arbeitsverhältnisses feststeht oder bei Änderungen während des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft vereinbart wird. Rückwirkende Gehaltsvereinbarungen oder Sonderzahlungen werden in der Regel nicht anerkannt.
3. Diese Anforderungen an die steuerliche Anerkennung von Angehörigenverträgen stellen allerdings keine besonderen – ungeschriebenen – Merkmale des steuergesetzlichen Tatbestandes, sondern Beweiswürdigungsregeln dar. Deshalb f...