Leitsatz
Der Kapitalverlust aus der vorzeitigen Einlösung einer Gleitzins-Schuldverschreibung kann nicht im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen nach der sog. Differenzmethode gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sätze 2 und 4 EStG berücksichtigt werden.
Gleitzins-Schuldverschreibungen haben grundsätzlich eine Emissionsrendite.
Die Emissionsrendite ist nachgewiesen, wenn sie sich aus den vom Steuerpflichtigen eingereichten Unterlagen ergibt. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG eröffnet kein Wahlrecht im juristischen Sinn.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
Die Kläger erwarben 1997 in Luxemburg Gleitzins-Schuldverschreibungen zum Nominalwert von 390.000 DM zum Emissionskurs von 101 % mit Endfälligkeit zum Jahr 2015. Die Anlagen waren bis zum 30.12.1997 mit 3 %, danach bis zum 19.3.2001 mit 14 % und anschließend mit 10 % jährlich zu verzinsen. Der Kapitalbetrag sollte in 11 jährlichen Raten ab 2005 zurückgezahlt werden. Der Emissionsprospekt sah außerdem vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Schuldverschreibungen vorzeitig, zu einem vom Wert der dafür bestellten Sicherheiten abhängigen Kurs eingelöst werden durften.
Die Kläger machten wegen der vorzeitigen Einlösung für das Jahr 1998 einen Verlust von 374.305 DM (Kurswert von rd. 4 %) geltend. Das FA lehnte dessen Berücksichtigung ab, da die Zahlungsunfähigkeit des Anleiheschuldners eindeutig auf der Vermögensebene liege.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das Klage abweisende Urteil des FG.
Er sah zunächst die Verfahrensrügen als unbegründet an, insbesondere verneinte er das Vorliegen eines den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzenden Überraschungs-Urteils. Die sachkundig vertretenen Kläger hätten damit rechnen müssen, dass das FG bei der Regelung in § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht von einem Wahlrecht ausgehe.
Die Kapitalerträge aus diesen Schuldverschreibungen bestimmten sich nach ihrer Emissionsrendite, die in unterschiedlicher Höhe für unterschiedlich lange Zeiträume zugesagt worden sei (vgl. § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 Buchst. d EStG). Die Möglichkeit einer vorzeitigen Einlösung begründe noch kein reines, im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht steuerbares Risikogeschäft.
Aus den vorgelegten Unterlagen sei die Emissionsrendite zu ermitteln. Mit der festgelegten Endfälligkeit sei auch nicht eine bloße Mindestrendite verbunden. Eines Rückgriffs auf die Beweislastregelung bedürfe es danach nicht mehr. Insbesondere stehe den Klägern kein Wahlrecht zu, statt der ermittelten Kapitalerträge den Ansatz der Marktrendite zu wählen.
Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kapitalverlust im Streitfall auf einer vorzeitigen, vor Endfälligkeit erfolgten Einlösung beruhe.
Hinweis
1. Die sog. Finanzinnovationen führen in den Grenzbereich zwischen steuerbaren – zumeist allerdings kaum ermittelbaren – Kapitalerträgen und grds. nicht steuerbaren Gewinnen oder Verlusten auf der Vermögensebene.
2. Der Gesetzgeber hatte versucht, dem Problem durch die Neufassung des § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG i.d.F. des StMBG vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 2310) durch Einführung einer sog. Marktrendite in Satz 2 beizukommen. Immer dann, wenn der Steuerpflichtige die Emissionsrendite nicht nachweist, sollte die sog. Marktrendite als Differenz zwischen dem Entgelt für den Erwerb und der Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung der Kapitalanlage als steuerbarer Kapitalertrag erfasst werden.
3. Der BFH hatte indes im sog. Floater-Urteil vom 24.10.2000, VIII R 28/99, BStBl II 2001, 97, die Vorschrift als reine Beweislastregelung ausgelegt, die dann nicht zum Zug kommen könne, wenn die Kapitalanlage ihrer Art nach gar keine in diesem Urteil näher definierte Emissionsrendite haben konnte.
4. Daraufhin hat der Gesetzgeber entsprechend seiner bereits von Anfang an bestehenden Intention in § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 vom 20.12.2001, BGBl I 2001, 3794, Nr. 4 Satz 2 klarstellend ergänzt, dass die Marktrendite auch dann zum Zug kommt, wenn die Kapitalanlage keine Emissionsrendite besitzt.
5.§ 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG setzt generell voraus, dass es sich nicht um ein reines Risiko-Papier handelt, bei dem weder die – zumindest teilweise – Rückzahlung des eingesetzten Kapitals noch ein Entgelt für die Kapitalnutzung gewährleistet ist. Ausgangspunkt jeder Prüfung, ob einer der ergänzenden Tatbestände nach § 20 Abs. 2 EStG erfüllt ist, ist stets § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Liegt ein reines Spekulationspapier vor, z.B. eine sog. Full-Index-Link-Anleihe, so fallen Gewinne oder Verluste insgesamt in den nicht steuerbaren Vermögensbereich.
6. Höchst streitig ist allerdings, ob der Steuerpflichtige – regelmäßig zur Geltendmachung von Verlusten – durch Verweigerung seiner Mitwirkung beim Nachweis einer Emissionsrendite i.S.v. § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 EStG den Ansatz der – negativen – Marktrendite erreichen kann.
Der BFH stellt klar, dass es sich bei der Vorschrift in § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG ausschließlich um eine Beweislastrege...